Martin Rost
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Erschienen ist dieser Artikel in: - forum medienethik, Ausgabe 1996/ 02: 52-60 - http://www.maroki.de/pub/sociology/mr_meth.html 1996.11.06., Version 2.0 - Langversion Eine Revolution?Martin Rost In vielen Ausführungen zu den sozialen Folgen der Computernetze ist
von einer Revolution die Rede. Ist diese Rede
leichtfertig oder befinden wir uns tatsächlich in revolutionären
Zeiten? Auf soziale Tatbestände bezogen bezeichnet der Begriff Revolution eine charakteristische Phase innerhalb der sozialen Evolution. Eine Revolution ist zum einen durch ein hohes Maß an Radikalität und zum anderen durch eine zeitweise enorme Beschleunigung des sozialen Wandels gekennzeichnet. Über diesen Wandel versuchen sich, dies ist das dritte Kriterium, die gesellschaftlichen Akteure selbst aufzuklären (statt den Wandel zu mystifizieren oder ihn nicht wahrzunehmen) und sie versuchen, diesen zu steuern (statt bloß Opfer der Ereignisse zu sein). Radikalität meint die gründliche Verbundenheit von allem mit allem: Ehemals komplexe Verhältnisse sind vereinfacht, so daß klein anmutende Veränderungen in einem gesellschaftlichen Bereich, etwa eine zunächst harmlose erscheinende politische Aktion oder Entscheidung, eine Investition, ein Bild oder eine technische Konstruktion, zu drastischen Veränderungen in anderen Bereichen führen können (vgl. ausführlicher als Bestandteil einer Soziologie der Katastrophe: Clausen 1994). Indizien für die kritische MasseDie hohe Geschwindigkeit des technischen Wandels in diesem
Jahrhundert ist augenfällig. Durch die Veralltäglichung der
Digitaltechnik in den letzten beiden Jahrzehnten ist er noch einmal
beschleunigt worden. Bis etwa in die Mitte der 1960er Jahre hinein
waren beispielsweise weder die massenhafte Computerisierung noch die
Vorteile graphischer Benutzeroberflächen absehbar. Und Ende der 80er
Jahre konnte niemand ahnen, welche Dynamik verteilte
Informationssysteme vom Schlage des World-Wide-Web entwickeln
würden
Die ersten Untersuchungen speziell zu den Folgen von organisationsintern genutzten Computernetzen setzten Mitte der 80er Jahre ein. Die Zahl analytisch-orientierter Publikationen zu Computernetzen nahm dann Anfang der 90er drastisch zu und explodierte noch einmal Mitte der 90er Jahre, nachdem das World-Wide-Web Ende 1993 über das Internet freigegeben war (vgl. zuletzt beispielsweise: Bollhuis/ Colom 1995; Stoll 1995; Turkle 1995; Gruppe hochrangiger Experten 1996; Heibach/ Bollmann 1996; Heuser 1996; Kuenheim/ Sommer 1996; Rost 1996, Stegbauer 1996, Tapscott 1996). Seitdem müssen sich Juristen, Politiker, Kaufleute, Wissenschaftler, Therapeuten, ... mit den Folgen der öffentlich zugänglichen Netze professionell beschäftigen. Die neuen Kommunikationstechniken sind ein allgegenwärtiges Thema. So rasch und überraschend die technischen Entwicklungen gerade auch in den vergangenen 20 Jahren sein mögen... die Technisierung der Kommunikation und die Informatisierung der Arbeit lassen sich zwangslos in eine Tradition stellen. Und zwar in die Tradition, die mit der Industriellen Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Der aktuelle Technisierungsschub nun zum Ende des 20. Jahrhunderts, dies ist meine zentral stehende, die analytische Phantasie anleitende These, holt die Industrialisierung des bislang noch verschonten Bereichs der Informationsverarbeitung (vgl. Steinmüller 1993) nach. Wie einst der Buchdruck mit beweglichen Lettern (vgl. Giesecke 1990) und die
Werkzeugmaschine im Verein mit der Dampfmaschine (vgl. Marx 1867)
funktionieren derzeit die Computernetze im Bereich der
Dienstleistungen, der Wissenschaft, Justiz, Politik, Verwaltung, Management,
Kultur... als unwiderstehliche Katalysatoren für neue Formen
gesellschaftlicher Organisation.
Industrialisierung und Globalisierung durch VernetzungDie Industrialisierung der gesellschaftlichen Informationsverarbeitung geschieht auf der technischen Seite durch Standardisierungen der Verfahren, mit denen sich Informationseinheiten auf Basis von Computernetzen ineinander verhaken lassen. Diese betriebsübergreifenden, weltweiten defacto-Standards verbinden sowohl die objekthaft-technische als auch die organisatorische Seite der Industrialisierung. Als Beispiel sind hier EDI (Electronic-Data-Interchange (vgl. Deutsch 1994)), SGML (Standard-Generalized-Markup-Language (vgl. Rieger 1995)), HTML (HyperText-Markup-Language (vgl. Morris 1996)) oder auch Java (vgl. Müller 1996; Linden 1996) zu nennen. Große Betriebe behelfen sich und steigern zunächst nur die Produktivität der betriebsinternen Kommunikationen, indem sie sämtliche Abteilungen mit dem gleichen Software-Paket ausstatten. Andere Betriebe führen Programme ein, die die arbeitsteilige Erstellung von Informationseinheiten direkt unterstützen (Stichworte: Computer-Supported-Cooperative-Working (vgl. Malm 1994), Groupware (vgl. Stodolsky 1994)), ganz gleich, an welchem Ort die Mitarbeiter sich befinden. Auch die Programmierung dieser Organisations- und Anwendungsprogramme geschieht mittlerweile wiederum zu einem guten Teil standardisiert und automatisiert (Stichworte: Computer-Aided-Software-Engineering (vgl. Herzwurm 1993), Object-Oriented-Programming (vgl. Love 1995)). Es sind diese Standards und Programme, die das bislang schlummernde
Industrialisierungspotential der PCs freisetzen. Solange die PCs
noch am Papier als Verbreitungsmedium kleben
Mit einem digital vorliegenden Text werden demnach nicht nur die Mitteilungen effizient austauschbar, sondern auch Mitteilungen über diese Mitteilungen. Die oben erwähnten Standards entsprechen solchen Steuerinformationen, die von den Anwendungsprogrammen ausgewertet werden. Technisch ausgedrückt handelt es sich hierbei um Protokolle (vgl. Tanenbaum 1990), in denen Regeln für Regeln zum Aufbau und Abbau von Kommunikationen festgelegt sind (vgl. Rost 1996b). Zum "Nacheinander" der Seiten des Papiermediums kommt im PC ein "Untereinander/ Übereinander" von Informationsebenen hinzu. Die dritte Dimension ist erst in einem durchgängig digitalisierten Kommunikationsmedium vollwertig nutzbar. Entkopplung und IntegrationEine konsequente Anwendung dieser dritten Dimension ermöglicht im Hinblick auf die organisierte Zusammenarbeit von Menschen die Entkopplung von Zeit, Raum und Funktionen (vgl. Johansen 1988). Die Kontrolle der Maschinen, die Logistik, das Design, das Marketing und das Management müssen nicht mehr zu einer Fabrik zusammengezogen werden, um die fein aufeinander abzustimmenden Handlungen zu verschränken. Der gesamte Produktionsprozeß wird virtualisiert. Die Unternehmen können so weltweit die günstigsten Produktionsstandorte ausnutzen und über die Welt verteilt durchgängig 24 Stunden produzieren lassen. Die von dieser Fragmentierung derzeit betroffenen Informationsarbeiter entwickeln, anders als die zwangsläufig auf Rufweite in Fabriken zusammengezogenen Arbeiter zu Beginn der Industriellen Revolution, keine sinnlich gestützte Vorstellung über die gemeinsam geteilte soziale Situation. Diese Sinnfälligkeit war funktional für die Gründung von Parteien und Gewerkschaften im 19. Jahrhundert und führte, zusammen mit großen Theorieanstrengungen, zur Demokratisierung der Gesellschaft. Mit dem derzeit stattfindenden weltweiten Outsourcing löst sich aber nicht nur die Solidarität unter Arbeitenden auf, sondern basaler noch der Normalarbeitsplatz (mit standardisiertem Erwartungsprofil, zeitlicher Fixierung und strikter Trennung von Arbeiten und Leben) als sozialer Grundlage des Wohlfahrtsstaats. Es sieht derzeit so aus, als ob sämtliche sozialpolitischen Errungenschaften, ausgerechnet durch eine wie nie zuvor angeheizte Ökonomie, wieder in Gefahr sind. Die Juristen sind ebenso wie die Marketingabteilungen ratlos,
wie sie die öffentlich zugänglichen Netze am besten einordnen
sollten. Ihre klassischen Instrumente versagen. Die Verlage und
Redaktionen sind in Sorge, daß sie überflüssig werden könnten und in
den Wissenschaften fürchtet man um die Qualität der Informationen,
wenn schlicht jeder im Netz publizieren kann. Politiker geraten unter
Druck, weil in den Netzen radikale Schriften und Pornografisches zu
finden ist.
Werden Computernetze und deren Folgen allein aus dieser Entkopplungsperspektive beobachtet und mit einem ohnehin meist locker sitzenden Technikpessimismus sowie einem bestenfalls moralisch fundiertem Antikapitalismus verquirlt, läßt sich bequem beliebig Apokalyptisches über die erwartbare Regression von Menschen und ganzer Gesellschaften durch moderne Kommunikationstechniken ausmalen (Postman 1991; Stoll 1995; viele Beiträge in Kuenheim/ Sommer 1996). Allerdings gilt es zu beachten, daß diese Entkopplungsfolgen nur möglich sind auf Basis der faktisch geleisteten Integration durch die neuen Kommunikationstechniken. Moderne Unternehmen (vgl. Tapscott 1996) sind heute über die Netze und den virtuellen Transmissionsriemen der Protokolle integriert. Es sind nicht mehr die sinnfälligen Mauern einer Fabrik und das Gestänge von Zahnrädern oder die Infrastruktur von Straßen, Flüssen und Schienensträngen oder Sprachen, oder die schon weniger sinnfälligen Frequenzen des Wechselstroms oder die Gesetze, Kulturen oder Währungen, die der Markierung von Grenzen zur Kopplung dienen, sondern es ist einzig die Kompatibilität von Netz-Protokollen (Hardware, Protokollschichten, Anwendungsprogrammen) weltweit im Verein mit frei konvertierbarem Kapital. Insofern gilt es genauer zu fragen, mit welchen sozialen Folgen durch die spezifische Integration, die die Netze faktisch bereits leisten, zu rechnen ist. Grafische Benutzeroberflächen, Multimedia und Virtual Reality (vgl. Waffender 1991; Sherman/ Judkins 1993) sind darauf ausgerichtet, die zunächst durch Einführung der PCs geforderten erhöhten Abstraktionsleistungen in vielen Handlungsbereichen durch Sinnfälligkeit der Steuerung wieder abzubauen. Die Formgebung und das Design der Programme müssen, wenn sie sich erfolgreich am Markt durchsetzen, nach ergonomischen, d.h. Technik, Kultur und Physiologie vermittelnden Kriterien (Stichworte: Style-Guides von Apple oder Microsoft) gestaltet sein. Computer universalisieren und spezifizieren damit den Technikzugang, vorbereitet durch die Konsumelektronik ab Mitte in den 70er Jahre. Der Computer schiebt sich zwischen Menschen und ihre Handlungen und Kommunikationen, als persönliches Universalwerkzeug, als Universalmaschine in den Betrieben und als Bestandteil eines Computernetzes. Dies alles geschieht dabei weltweit. Die politischen Versammlungen unter Anwesenden zu Beginn der Industrialisierung werden durch grenzüberschreitende politische Diskurse unter Netzteilnehmern ersetzt. Deswegen ist es eine ungemein brisante politische Aktion, Netzzugang für Jede und Jeden zu ermöglichen oder auch nur fordern. Beobachten lassen sich solche Diskurse bereits in den öffentlich zugänglichen Diskussionsforen des Internet ebenso wie in betriebsinternen Intranets. Sobald dort Kommunikationen in einem Kanal eingeschränkt werden, brechen diese um so heftiger in einem anderen Kanal durch. Es hat sich mittlerweile mehrfach gezeigt, daß Versuche nationalstaatlich legitimierter Regelungszugriffe auf das weltweit operierende Internet nicht durchsetzbar sind (vgl. Dworschak 1996; FITUG 1996). Dies ist kein Wunder wenn man bedenkt, daß bei der Konstruktion der InternetTechnik in den 60er Jahren eine Forderung des Militärs darin bestand, daß das Computernetz selbst dann noch funktionieren müsse, wenn durch einen Atomschlag 30% des Netzes ausfielen. Zwar können in betriebsinternen Intranets Kommunikationen sozial leichter eingeschränkt werden, doch stehen solche Entscheidungen unter einem höheren Legitimationsdruck als bislang, zumal moderne Managementkonzepte nahelegen, die Intelligenz und Kreativität von Arbeitenden gerade durch frei floatierende Kommunikationen optimal auszubeuten. Und genau auf die Freisetzung von Intelligenz kommt es in Zukunft mehr denn je an. Ebenso gilt, daß funktionale Hierarchien um so stabiler sind, je besser sie legitimiert wurden, wenn sie sich denn schon nicht mehr einfach verstecken lassen oder als naturgegeben nicht thematisiert werden. Anders als beim vertrauten Broadcastingverfahren per Buch, Rundfunk oder Fernsehen, mit nur wenigen aktiven Sendern und zahllosen passiven Empfängern, kann kein Mensch mehr berechtigt über den im öffentlich zugänglichen Netz angebotenen Schund klagen. Denn jedem steht frei, dort seine Inhalte einspeisen und für Diskussionen darüber zu sorgen. Damit das Netz einen spezifischen Nutzen für einen Netzanwender freisetzt, muß dieser insofern lernen, das Netz der Teilnehmer klug zu reizen. Dabei kommt es zu einem Ausgleich der Fintenrate, was diejenigen schnell merken, die nur abschöpfen, aber nichts geben möchten. Und es zeigt sich im aktiven Umgang mit dem Netz noch etwas sehr viel Grundsätzlicheres: In den Diskussionsforen des Internet entstehen als Folge von Debatten Kollektivtexte, bei denen kein einzelner der Beteiligten mehr für sich die Werkshoheit beanspruchen kann. Während man im Papiermedium andere Texte entweder durch Nacherzählungen oder in Form von Zitaten in den eigenen Texten importiert und als persönliches Kompilat veröffentlicht, wird man in einem digitalen Medium faktisch dazu genötigt, den eigenen Beitrag an einen virtuellen Gesamttext, etwa als Hypertext im WWW, zu exportieren. Ein langer grundsätzlicher Artikel ist dabei für den Gesamttext unter Umständen genau so wichtig, wie ein knapper Beitrag, der eine Diskussion in eine andere Richtung zu lenken vermochte. Statt Sorge zu haben, daß jemand anders den eigenen Text abschreiben könnte, gilt es umgekehrt dafür zu sorgen, daß der eigene Beitrag überhaupt wahrgenommen wird. Aufmerksamkeit ist im Netz eine knappe Ressource. Und wenn in Betrieben ein Team beispielsweise in einem Shared-Whiteboard gemeinsam und zugleich an einer Grafik arbeitet, stellt sich der gleiche Effekt ein, daß nämlich kein Einzelner für sich allein die zentrale Idee und dessen Ausarbeitung beanspruchen darf. Dies ist ein wichtiges Merkmal industrialisierter Produktion. Und dieses Merkmal kann Anlaß genug für politische Aktionen sein, sofern darüber kommuniziert wird. Tatsächlich wird aufgrund der noch primitiven Sozialverhältnisse im Bereich der Informationsverarbeitung (Management, Politik, Wissenschaft, Kultur) der Gewinn dieser Arbeiten aber noch immer individuell abgeschöpft. Gerechtfertigt wird dies nicht durch Leistung oder durch einen Auftrag, sondern durch vorgegebenen sozialen Rangunterschied, Reputation und Monopolisierung des Zugriffs auf Publikationsmedien: Professoren geben die Ideen ihrer AssistentInnen und Studenten als die ihren aus; Teilnehmer an Netzdiskussionen fertigen Artikel entlang der diskutierten Argumente für Zeitungen an; der Leiter einer Arbeitsgruppe präsentiert als Teilnehmer der Managementsitzung allein die Ergebnisse der Gruppe. Ein solches Handeln ist nicht moralisch verwerflich und dem Einzelnen als Unlauterkeit zuzurechen, sondern sozial vorgängig so organisiert. Das Problem daran ist vielmehr, daß die Entfaltung der vorhandenen Ideen- und Kommunikationsproduktivität behindert wird, weil diese zugleich einen Ausbau der Demokratie nach sich zöge. Insofern ist abzusehen, daß durch diese die Zunftprivilegien zerstörende Netztechnik starke politische Konflikte entstehen. Das neue Telekommunikationsgesetz ist bereits ein Ausdruck dieses Konflikts (dazu: Köhntopp 1996). Die alten Konflikte, die sich infolge der Durchindustrialisierung von Neuem und mit aller Schärfe einstellen, lassen sich beispielsweise im Brennglas des Urheberrechts verstärkt beobachten. Das moderne Urheberrecht ist als Folge des Nachdrucks von Büchern entstanden und insofern eine Reaktion auf die Konstruktion leistungsfähiger Druck- und Papiermaschinen (vgl. Bosse 1981: 104). In Form der "Rechte des Urhebers" erstmals 1813 in Bayern codifiziert, fußt das deutsche Urheberrecht auf der Werksherrschaft und dem geistigen Eigentum des Autoren, also auf dem Kopf des Einzelnen als Regelfall. An dieser Konstruktion wird auch nach der jüngsten Änderung vom 23. Juni 1995 im Urheberrecht weiterhin festgehalten. Dieses Urheberrecht ist obsolet und praxisfremd. In einem digitalen Medium lassen sich Original und Kopie nicht mehr unterscheiden, technisch ist die Herstellung von Kopien trivial, die Aufstellung und Adressierung der Kosten für die Herstellung einer Kopie ist teurer als deren Anfertigung. Es ist gänzlich unsinnig, die Rechte und Honorierungen von Informationsarbeitern nach wie vor an die materiale Form eines Textes zu koppeln (vgl. Barlow 1995). Im Zuge der Industrialisierung der Informationsverarbeitung nimmt zudem die Wahrscheinlichkeit ab, mit der ein Einzelner berechtigterweise die Urheberschaft an einem Text, an einer Nachricht, an einem Programm erheben kann. Die Schere geht so gesehen extrem weit auf: In einer
Informationsgesellschaft werden Informationen einerseits wie nie als
Rohstoff nachgefragt und entsprechend hoch bewertet, ihre Erstellung ist
technisch aufwendig und verlangt industrialisierte Verhältnisse.
Andererseits lassen sich viele Informationen (und auch die Informationen
über die Informationen) nahezu unendgeldlich und in guter Qualität als
öffentliches Gut (Public Domain) im Netz abschöpfen.
FazitDie Industrialisierungsphase der Gesellschaft wird durch die "Medienrevolution" (Giesecke 1990b) abgeschlossen. Nach der Generalisierung der Produktions- und Konsumtionsmaschine in Form des Generators bzw. des Elektromotors ist nun der Transmissionsriemen in Form von Netzen und Kommunikationsprotokollen generalisiert. Die Protokolle machen Technik, Organisationsstrukturen, Kommunikationen und Handlungen kompatibel. Das Programmier-Prinzip im Umgang mit der Technik ist universalisiert, die grafischen Steuerungsinterfaces sorgen für Sinnfälligkeit. Politisch ist mit starken Konflikten zu rechnen, da die auf Reputation basierenden Privilegien der Zunftmitglieder im Bereich der Informationsverarbeitung fortfielen. Macht ist im Hinblick auf Informationen gekennzeichnet durch ein Vorenthalten von Informationen... Bürokratien entscheiden, ohne zu begründen. Die Netze unterhöhlen dies. Mit der Nutzung der Netze wird es weniger denn je plausibel zu machen sein, daß Planung und Führung prinzipiell höher zu bewerten und zu entlohnen seien als die konkrete Ausführung. In Form von Verwertungsgesellschaften wie GEMA und VG-Wort sind bereits erste Kollektivhonorierungssysteme für Informationsverarbeiter entstanden. Diese Systeme werden weiter ausgebaut (Clearingstelle Multimedia). Die gesellschaftlichen Folgen sind insofern tiefgreifend, aber nicht völlig überraschend, da die Konflikte seit Beginn der Industriellen Revolution bestehen. Der Zwang zur Kreativität und Originalität nimmt zu, der Aufenthalt permanent an der Grenze der intellektuellen Leistungsfähigkeit gehört zum professionellen Alltag. Das Lobpreisen der Kreativität war ein Reflex auf das Leiden am Fließband (vgl. Gorz 1983). Auf Basis des noch einmal gesteigerten Produktivitätsniveaus kann eine antiindustriell-romantische Semantik bestens gedeihen. Literatur
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