Der Plattdeustch-Autor Heinrich Ohm

Einführung und Hintergründe zum Werk

Martin Rost (2017, Korrekturen und leichte Überarbeitung 2025)

Heinrich Ohm war ein Schriftsteller der plattdeutschen Sprache. Und außerdem war Heinrich mein Großonkel mütterlicherseits.

Heinrich Ohm wurde am 19. August 1922 in Sophienhamm im Ortsteil Oha, einem Dorf nahe bei Rendsburg in Schleswig-Holstein, geboren. Er starb am 8. Juni 2011, im nur wenige Kilometer von Oha entfernten Friedrichsholm.

Heinrich war ein neun Jahre währender Besuch der einklassigen Dorfvolksschule vergönnt. Er war ein guter Schüler, mit Talent für Mathematik. Er arbeitete zunächst in der Landwirtschaft. In der Zeit des Nationalsozialismus musste er sich dann, wie so viele seiner Altersgruppe, als Soldat verdingen. Nach der Gefangenschaft kehrte er zurück in sein Dorf und lebte weiterhin von der Landwirtschaft auf seinem Hof, die er Ende der 1960er Jahre aufgab. Die Landwirtschaft war ihm immer äußerlich geblieben, wie er mir mal gestand. Es folgten verschiedene Anstellungen, u.a. als Versicherungsvertreter und als Verkäufer von Landmaschinen, fing er Ende der 1980er Jahre als Rentner mit dem Schnitzen und Schreiben an.

Übersicht Heinrichs Bücher (Stand: 2011-0917)

Heinrichs Einstieg ins Schreiben war das Erstellen der Chronik seines Dorfes Sophienhamm. Zuvor hatte er sich über viele Jahre immer mal wieder mit der Geschichte seiner Familie beschäftigt. Im Verlauf dieser Beschäftigung hatte er festgestellt, wie unzuverlässig die erklärten biologischen Linien von Nachkommenschaften in einer Familie allein anhand der Kirchenbücher nachzuvollziehen war. Für ihn war klar: Kirchenbücher sind unzuverlässige Quellen für eine ernsthafte Familienkunde. Hinzukam, dass Nachnamen häufig einfach unleserlich geschrieben oder Personen falsch zugeordnet waren, so wurde die eine und die andere Vaterschaft bei Unklarheiten deklariert. Heinrich vermutete, dass Pastoren während solcher Eintragungen häufiger wohl nicht nüchtern waren. Heinrich wusste von vielen ihm zugetragenen Geschichten, wonach biologische und soziale Vaterschaft nicht deckungsgleich waren. Familiäre Konflikte und der Umgang mit biografisch einschneidenden, aber doch alltäglichen Ereignissen, die wir heute als Katastrophen läsen, waren das Hauptthema der Erzählungen Heinrichs.

Die Chronik Sophienhamm - Ein Kolonistendorf erschien 1991. Ich war überrascht, wie methodisch gewissenhaft Heinrich an diesem Text arbeitete und wie gründlich er dafür im Landesarchiv von Schloss Gottorf recherchierte, schließlich hatte er keine akademische Ausbildung. Mit dieser langwierigen, ernsthaften Arbeit an der Chronik bemerkte er, dass ihm das Schreiben lag und mehr noch, dass ihm das Schreiben wichtig war. Ich hatte ihm frühzeitig die Vorteile einer Textverarbeitung mit dem PC nahegebracht, was Anfang der 1990er Jahre in Deutschland noch nicht allgemein geläufig war. Anlässlich eines Geburtstagsbesuchs sprachen wir wieder einmal über die Vorteile einer Textverarbeitung; noch in der selben Woche trafen wir uns zum Kauf eines PCs in Kiel. Diese Offenheit Heinrichs für nützliche technische Gerätschaften, und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, etwas vermutlich Kompliziertes und gänzlich Unbekanntes in den Griff zu bekommen, hatten mich bei ihm überrascht. Und doch ist dieser Pragmatismus gepaart mit Selbstvertrauen typisch entweder für diese Generation oder für den Menschenschlag dieser Gegend. Diese Gegend, in der Heinrich lebte und in der auch seine Geschichten verankert sind, ist der Mittelrücken Schleswig-Holsteins, in dem das Überleben viele Jahrhunderte beschwerlicher als in vielen anderen armen Gegenden Deutschlands war.

Der Kauf eines Computers war zu Beginn der 1990er Jahre ein besonderes Ereignis. Heinrichs erster PC war ein "286er", der unter DOS lief und mit 640kB-RAM, einer passablen 20MB-Festplatte und zwei 5.25-Zoll-Floppies ausgestattet war. "Context" war die Textverarbeitung, sie bot noch keine "What-You-See-Is-What-You-Get"-Oberfläche heutiger Textverarbeitungen. Die Steuerzeichen für den Matrixdrucker, mit denen bspw. auf Fett- oder Kursivdruck umgeschaltet werden konnte, mussten im Text, als seltsame Steuerzeichen erkennbar, untergebracht werden. Als Bedienoberfläche des DOS-Betriebssystems kam der Norton Commander zum Einsatz. Bei dem Computerhändler Vobis gekauft belief sich der Preis auf 1990 DM, was richtig viel Geld war. Auf dieser Maschine tippte Heinrich dann sämtliche Texte direkt ein, ohne die Geschichten mit Papier und Bleistift vorzuschreiben, was ich erwartet hatte. Das Eintippen dauerte. Heinrich hatte mit Tippen keine Übung. Ich hatte den Eindruck, dass die Geschichten mental fertig waren und er sie aus dem gedächtnis heraus runterschreiben konnte. Anschließend war dann zumindest inhaltlich nicht viel mehr zu bearbeiten. Formale Korrekturen hatten vornehmlich zum Ziel, zu einer konsistenten Rechtschreibung über verschiedene Artikel hinweg zu gelangen. Jahre vor seinem Tod versuchte Heinrich, auf die modernere Textverarbeitung Word umzusteigen, mit Assistenz durch seine deutlich jüngere Freundin Annemarie, die bereits unter Windows zu arbeiten wusste. Doch dieser Versuch umzusteigen misslang. So richtig durchdrungen hatte Heinrich das Arbeiten mit dem PC ohnehin nicht. Er hatte sich seinen Reim auf die Zusammenhänge gemacht und kam im Ergebnis klar. Er war in der Lage, selbständig Backups von seinen Textdateien auf Disketten anzufertigen und er druckte seine Geschichten auf seinem Matrixdrucker aus. Das Schriftbild war unschön punktig und wie bei einer Schreibmaschine gesetzt, aber sie war gut lesbar. Diese Ausdrucke verwaltete er in einer penibel geführten, ebenfalls am PC geführten Liste.

Ab den frühen 1990er Jahren schrieb Heinrich dann 20 Jahre lang beständig an seinen Erzählungen. Diese Erzählungen sind literaturwissenschaftlich dem Realismus zuzurechnen, so wie er Ende des 19. Jahrhunderts wegweisend vor allem von Fritz Reuter geprägt wurde. Heinrich sah sich auch klar in der Tradition Fritz Reuters stehen; ihm waren die Themen und der Stil von Fritz Reuter geläufig. Somit stand er in Form und Ausdruck Fritz Reuter sehr viel näher als den humorigen Kurzgeschichten, wie sie, im Rahmen beispielsweise der plattdeutschen Sendung im Norddeutschen Rundfunk "Hör mal'n beten to" gesendet wurden. Diese Sendung war, so weit ich das selber noch erlebend beobachten konnte, seit Ende der 1960er Jahre stilbildend einflussreich für den Erhalt bzw. für die Ausbildung von Redeweisen und für Publikationen in der plattdeutschen Sprache im Sendebereich des Norddeutschen Rundfunks. Gleichwohl schätzte er deren maßgebliche Autorin und Sprecherin Irmgard Harder, die er später persönlich kennenlernte und von der er, aus ihren Schreibseminaren für die Plattdeusche Sprache, viel für sein Schreibhandwerk gelernt hatte.

Wie ernsthaft und, ja man darf sicher sagen, "methodisch-analytisch", Heinrich Ohm seine schriftstellerische Arbeit von Beginn an betrieb, zeigte sich unter anderem daran, dass er sich erst einmal der Schreibweise seines Wortmaterials versicherte. So fertigte er eine Sammlung der von ihm verwendeten plattdeutschen Worte an und vereinheitlichte deren Schreibweise allein für seine Bedürfnisse. Bei der Zusammenstellung, Durchsicht und Diskussion der Schreibweisen half ihm seine Nichte Christa Rost, die sich, um auf Augenhöhe mit Heinrich zuarbeiten zu können, einen Laptop kaufte und darüber ebenfalls den Einstieg in die Arbeit mit PC und Textverarbeitung fand. Diese Wörtersammlung Heinrichs wurde bislang nicht publiziert. Es finden sich Auszüge daraus im Anhang seiner Broschüre Schnacks ut Schleswig-Holsteen, die er 1993 im von ihm gegründeten Ohm-Verlag veröffentlicht hatte. Sprachpolitisch, und auch sonst, war Heinrich liberal und tolerant. Er hing nicht der Idee an, dass sein Idiom des Plattdeutschen das einzige und beste war; er bestand nicht darauf, in seinen dörflich verankerten Geschichten exakt nur so wie lokal gesprochen auch schreiben zu müssen. Seine Sprachfärbung hatte sich auf der Grenze zwischen dem Schleswigschen und dem Holsteinischen Landesteil entwickelt, mit einer Tendenz zum Schleswigischen hin, dem der dänische Einfluss, zumindest wenn man darauf aufmerksam gemacht wurde, auch abzuhören war bzw. noch immer ist. Heinrich wollte wahrgenommen und gelesen werden und suchte deshalb undogmatisch die Nähe zum sogenannten Radioplatt, das sprachwissenschaftlich als moderates "Gesamtplattdeutsch" bezeichnet wird.

Heinrich hatte mit "den Schnacks ut Schleswig-Holsteen" im Eigenverlag schriftstellerisch losgelegt. Damals gab es noch keinen günstigen Einstieg in das Selbstverlegungen von Büchern durch "print-on-demand". Vielmehr musste ein Klein-Verlag gegründet werden, um über eine eindeutige ISB-Nummer zu verfügen als Voraussetzung dafür, in den Katalogen der Buchhändler aufgelistet zu werden. Heinrichs Verlag trug den, in meinen Ohren durchaus klingenden, Namen "Ohm-Verlag". Trotzdem war Heinrich bestrebt, seine sich bereits abzeichnenden ernsthaften, teilweise umfangreichen Erzählungen in einem namhaften, etablierten Verlag unterzubringen. Doch alle Verlage, zu denen er Kontakt aufgenommen hatte, erwarteten eine weitgehend vollständige Übernahme der wirtschaftlichen Risiken, bei gleichzeitigem Abtreten aller Pubikationsrechte. Diesen Bedingungen wollte (oder konnte) Heinrich sich nicht unterordnen. Also lernten Heinrich und ich sicherheitshalber erst einmal die Basics des Verlagshandwerks anhand dieser literarisch bedeutungslosen Broschüre. Heinrich besorgte sich einen Gewerbeschein, er sicherte sich beim "Verzeichnis lieferbarer Bücher" in Frankfurt das kleinste Kontingent an ISB-Nummern (50 Stück für etwa 50 DM) und wir fanden mit Hansa-Druck Kiel eine günstige Druckerei und Binderei. Hansa-Druck wurde vornehmlich von kleinen linken oder alternativen Projekten genutzt. Wenn ich mich richtig erinnere, kostete die Produktion der Schnacks-Broschüre 3.41 DM pro Exemplar bei einer 300er Auflage. Gesetzt hatte die erste Version dieses Textes mit LaTeX an einem AtariST-Computer; danach wechselte ich auf LaTeX auf einem "386er" unter Linux/Slackware. Als Druckvorlage nutzten wir Papierausdrucke von einem mit ca. 1000 DM auch für Privatpersonen erstmals bezahlbaren Epson-Laserdrucker in 300dpi-Auflösung. Wir empfanden uns gut handlungsmächtig und auf der Höhe der Zeit seiend, mit unseren doch sehr günstig hergestellten Druckvorlagen im feinsten Postscript-Format, "pdf" gab es noch nicht.

Nach der durchaus erfolgreichen Veröffentlichung der Schnacks zog Heinrichs Produktivität in den nachfolgenden Jahren an. Er hatte Kontakt zum Schleswig-Holsteinischen Heimatbund aufgenommen, insbesondere zu dessen Leiter Dr. Diercks, der Heinrichs Schreibtalent früh bemerkte und Heinrich ermunterte, die Schreibwerkstatt des Heimatbundes mit den namenhaften Dozenten Erich Andersen, Bolko Bullerdiek, Irmgard Harder und Andreas Schmidt zu besuchen. Heinrich folgte auch diesem Rat. 1995 war dann ein erster Höhepunkt im Schaffen von Heinrich. Heinrich erhielt für seine Geschichte Handwarksarbeit in dem vom NDR veranstalteten Hörerwettbewerb den 4. Preis. Diese Geschichte wurde, mit anderen Geschichten des Wettbewerbs, in dem kleinen Band Bi de Arbeit" im Quickborn-Verlag publiziert.

Kurz nach diesem nennenswerten Preis erfolgte die Publikation des vermutlich ersten plattdeutschen Kriminalromans mit dem Titel De Humannsche Röck, dessen Titel eigentlich "De Huhmannschen Röck" hätte lauten sollen. Ein Fehler. Außerdem weist die Grafik auf der Titelseite des Buches einen weiteren, irritierenden Fehler auf, den zu finden ich gern dem Betrachter überlasse. Die meisten Menschen spüren, dass die Grafik nicht mit der Realität überstimmen kann. Das wiederum war aber kein Fehler, sondern ein Trick des Grafikers, um Faszination qua Irritation zu erzeugen. Die Humannsche Röck wurden im November 1996 in der Landesvertretung Schleswig-Holsteins in Bonn vorgestellt. Es las Edgar Bessen, ein bekannter Schauspieler des Ohnsorg Theaters Hamburg. Die Moderation dieser Veranstaltung hatte Gerd Spiekermann inne, ein Redakteur des NDR. Das war ein öffentlich dann bedeutsamer, großer Erfolg für Heinrich. Diese Erzählung geht auf eine wahre Begebenheit zurück, die sich alte Leute aus der Gegend um Alt-Duvenstedt zumindest damals noch erzählten: Eine ältere Frau war im dortigen Moor verschwunden; man fand nie Leiche. Seitdem muss man bei Torfarbeiten im Moor darauf gefasst sein, ihren Leichnam zu finden. Wenn man beim Torfstechen unvermutet auf Widerstand stößt, hiess es: "Pass op, datt sünd de Humannschen Röck!". Das war der Ausgangspunkt des Romans. Heinrichs Idee dazu lautete: Eine Frau lebt als Außenseiterin in Struvendörp, wird Zeugin eines Mordes und kann von der Erpressung des relativ wohlhabenden Mörders lange Zeit gut leben. Die Menschen des Dorfes haben zwar keine Angst aber einen verhaltenen Respekt vor dieser intelligenten Frau mit ihren klaren, oft harten wahren Worten. Die dann irgendwann mysteriös verschwand. Ich erinnere, wie Heinrich über Wochen mit dem Zuschnitt der Hauptfigur seiner Erzählung gehadert hatte. Er fand keine plausible Darstellung dafür, dass eine zierliche Frau in der Mitte des 19. Jahrunderts allein am Rande eines Dorfes lange Zeit unter erstaunlich guten Bedingungen lebte und von den Dorfbewohnern leicht gefürchtet wird. Wie macht man eine solche ungewöhnliche Konstellation "allein auf dem Land lebende, sehr wache, respektierte Frau Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts" plausibel? Heinrich kam auf die Lösung und dichtete dieser Frau mit dem Nachziehen eines Beines eine leichte Behinderung an. Damit wurde die gesamte Konstellation schlagartig plausibel. Dieses Detail gilt mir als ein typisches Beispiel dafür, wie durchdacht Heinrich mit zunächst bestehenden dramaturgischen Mängeln in seinen Geschichten sowie den Eigenschaften seiner Figuren und Konstellationen umging, diese analysierte und wie er solche Probleme dann zu lösen wusste.

Auch die Geschichte der Humannschen Röck hatte ich mit LaTeX gesetzt und auf dem Laserdrucker ausgedruckt, ergänzt mit den Illustrationen, die von Olaf Bruhn aus Berlin stammen. Wie der Kontakt zu Olaf Bruhn zustande gekommen war, kann ich nicht mehr nachvollziehen, vermutlich handelte es sich um den Sohn eines alten Freundes aus Rostock.

Wir hatten die Fahnen der Schnacks zum Drucken und Binden nach Leck zu Clausen & Bosse kutschiert und die gedruckten Bücher wenige Woche später mit einem Anhänger wieder zurück nach Oha verfrachtet. Heinrich hatte einen Großteil der Produktionskosten für das Buch übernehmen müssen. Für ihn war es im Falle der Humannschen Rock wichtig herauszubekommen, welche Vorteile es bringt, wenn ein richtiges, alle Konventionen einhaltendes Buch nicht im Selbstverlag, sondern im Verlagsprogramm eines angesehenen Verlags wie Quickborn untergebracht ist. Betriebswirtschaftlich betrachtet war jedoch keine der Lösungen - ob Selbstverlag oder Fremdverlag - für Heinrich zufriendenstellend. Im Laufe der Jahre wurde Heinrich unzufriedener darüber, wie desinteressiert und kommunikationsunwillig sich Verlage ihm gegenüber zeigten. Ob die Verkaufszahlen des Buches stimmten, weiss ich nicht.

Die nächste große Erzählung waren De Mohls, diese gilt als das Hauptwerk von Heinrich. Kein Verlag mochte sich zunächst darauf einlassen, eine Erzählung eines unbekannten Autoren mit dem Umfang von 380 Seiten zu produzieren. Typische Plattdeutsch-Leser seien, so war es den Antwortschreiben der Verlage zu entnehmen, nicht an einem derart umfangreichen Buch interessiert. Vermutlich kam bei den Verlagen der Gedanke hinzu, dass man Heinrich Ohm für schon zu alt befand und in ihm keinen Autoren sah, den aufzubauen und in den Folgejahren zu investieren lohnte. Sie rechneten wohl nicht mit seiner Produktivität. Sie konnten nicht wissen was ich wusste, nämlich dass Heinrich viele Geschichten auf der Festplatte gespeichert hatte. Und Heinrich hatte keinen Anlass, dies bei seinen Verhandlungen zu erzählen. Parallel zu seiner erst kleinen 50er Auflage von "De Mohl", die wir in einem Copyshop unter tätiger Hilfe seiner damaligen Freundin Gerda Krawcik herstellten, habe ich diese Erzählung 1999 im Internet zugänglich gemacht. Man konnte den Text einige Jahre lang dann ausdruckfreundlich im pdf-Format von meiner Webseite herunterladen. Mir lag daran, dass diese historisch und soziologisch instruktive Erzählung, die in spannender Weise nahe am Alltag vom Leben zwischen den Jahren 1762 und 1968 auf dem Mittelrücken Schleswig-Holsteins erzählt, möglichst viel gelesen wurde. Und die Geschichte wurde viel gelesen. Es trafen durchgängig geradezu euphorische Reaktionen aus den USA ein. Dort waren nicht nur frühzeitig Senioren im Umgang mit dem Internet fitter als in Deutschland, sondern dort gibt es gut organisierte Interessensverbände und erstaunlich lebendige Enklaven, die die plattdeutsche Kultur ihrer alten Heimat pflegen. Und es gibt dort nicht zuletzt jede Menge an Germanistik-Instituten mit dem Spezialgebiet "Low-Saxon".

Die Exemplare der 50er Auflage von "De Mohls" verkauften sich schleppend. Dann hatte sich, im Frühjahr 2005, Dr. Annemarie Jensen des Lektorats von "De Mohls" angenommen. Dies geschah im Zusammenspiel mit Jan Graf, der als Journalist arbeitend, sich daran interessiert zeigte, diese von Frau Jensen lektorierte Erzählung "De Mohls" in seinem neu gegründeten Plattschapp (ehemals Plaggenhauer Verlag) herauszubringen. Heinrich schlug in die Vorschläge von Jan Graf ein, De Mohls wurde fortan ungleich wertiger bei Plaggenhauer publiziert.

Und "De Mohls" wurde ein Erfolg. Die publikumswirksamsten Rezensionen zu De Mohls erschienen in der Landeszeitung (Ausgabe vom 27.4.2006, Seite 18) und den Kieler Nachrichten (Ausgabe vom 8.4.2006, Seite 18), und sie fielen allesamt gut aus. Man zeigte sich einig im Urteil, dass sich dieses Buch sehr spannend läse.

Im Jahr 2000 folgten weitere Bücher bzw. drucktechnisch korrekt ausgedrückt "Broschüren", die allesamt im Ohm-Verlag herausgegeben wurden. Bei De Skatrunde handelt es sich um einen zeitgenössischen Kriminalroman. Ein Mann wird mit einem Bolzenschussgerät, mit dem Schlachter Tiere töten, umgebracht. Die Ermittlungen der Polizei bringen zutage, dass viele Menschen Motive hatten, diesen Mann zu hassen.

Heinrich und ich sprachen häufig darüber, dass man eigentlich Hörbücher aus seinen Geschichten machen sollte. Hörbücher lagen nicht nur im Trend, sondern die Zahl derjenigen Menschen, die Plattdeutsch lesen können und wollen, wird absehbar wohl weiter abnehmen. Diese Menschen bevorzugten es sicher, wenn man Ihnen die Texte, im Sound ihrer Jugend, vorläse. Wie so typisch für Heinrich: Gesagt, getan. Heinrich suchte drei Erzählungen für Aufnahmen heraus. Am 27. Juli und 6. August 2003 trafen Arthur Meyer und Inge Rieck, damals Mitglieder der Niederdeutschen Bühne Rendsburg, bei Heinrich ein, um diese Erzählungen einzusprechen. Diese Aufnahmen können nachfolgend angehört werden.

2006 folgte eine weitere Broschüren mit einer Sammlung kurzer Erzählungen unter dem Titel Wat ik di al ümmer maal vertellen wull. Diese Sammlung, die wieder im Ohm-Verlag erschien, enthält unter anderem die drei Texte der Aufnahmen.

2006 war auch das Jahr der Veröffentlichung der wiederum historischen Kriminalgeschichte Dat Licht im Plaggenhauer-Verlag, die in der Zeit zwischen 1890 und 1928 spielt. Dies ist die Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen und Krisen. Wieder wird, am Beispiel von Weltkrieg und Inflation, veranschaulicht, wie gesellschaftliche Umwälzungen und Katastrophen bis in die Familien eines kleinen, abgeschiedenen Dorfes hineinreichten.

Mit Dat sünd doch Juden erschien 2007 dann Heinrichs letzte Erzählung im Plaggenhauer-Verlag. Diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit einer Hamburger Familie, in der der Vater, ein hochdekorierter Frontsoldat des 1. Weltkrieges, seine jüdischen Wurzeln kappt und seinen zunächst ahnungslosen Söhnen unter den Nazis mit gefälschten Ariernachweisen den Eintritt in die Wehrmacht ermöglicht.

Leider wurden diese beiden Erzählungen "Dat sünd doch Juden" und "Dat Licht" handwerklich ganz ungenügend schlecht vom Plaggenhauer-Verlag gesetzt. Plattdeutsch ist eine Sprechsprache, ein Plattdeutschtext sollte deshalb so umstandslos wie möglich seine geschriebene Gestalt verlieren und sich allein im inwändigen Lesesprechen auskristallisieren. Dies erreicht man beim Setzen eines Textes, indem das Lesen dadurch erleichtert, indem man eine große Schrift verwendet, wenige Worte in einer Zeile unterbringt und die Abstände der Buchstaben und Worte untereinander so gleichmäßig wie möglich ausrichtet. Letzteres geht auf Kosten eines rechtsbündigen Randes, der muss dann flatterig bleiben. Das ist keine Frage von "finde ich schön oder nicht" sondern spezifisches Textsatzwissen. Knapp formuliert: Es geht nicht um das Hübsche des Sysmmetrischen eines Satzspiegels, es geht um das Erreichen von Immersion. Ausgerechnet diese beiden letzten Bücher von Heinrich, die vom Einband her äußerlich als wertig erscheinen, werden dieser einzigen Anforderung, die der Textsatz bei einer langen plattdeutschen Geschichte zu erfüllen hat, leider nicht gerecht. Der Verlag hat diese Überlegungen, die bei De Mohls noch berücksichtigt wurden, nicht mehr respektiert. Heinrich waren theoretische Überlegungen dieser Art zu dem Zeitpunkt nicht mehr sonderlich wichtig, er hatte auch nicht mehr die Kraft für Auseinandersetzungen, so dass Plaggenhauer diese Bücher typografisch vermurkst auf den Markt warf. Das Buch "De Mohls" ist derzeit offenbar nur noch antiquarisch zu erstehen. (Booklooker)

In den verbliebenen vier Jahren bis zu seinem Tod hat Heinrich dann vor allem noch an seiner Biographie geschrieben sowie sporadisch seine bis dahin unveröffentlichten Geschichten und Erzählungen durchkorrigiert.

Publizierte Texte von Heinrich Ohm

  • 1991: Sophienhamm - ein Kolonistendorf, 315 Seiten.
  • 1993: Schnacks ut Schleswig-Holsteen, Sophienhamm, Ohm-Verlag, ISBN 3-929641-00-3, 70 Seiten, ISBN 3-929641-00-3.
  • 1995: Handwarksarbeit; in: NDR (Hrsg.), 1995: Bi de Arbeit, Hamburg, Quickborn-Verlag, S. 21-26, ISBN 3-87651-186-0.
  • 1995: De Humannsche Röck, Hamburg, Quickborn-Verlag, 152 Seiten, ISBN 3-87651-188-7.
  • 1999: De Mohls, Sophienhamm, Ohm-Verlag590 Seiten, ISBN3-929641-04-6.
  • 2000: De Skatrunde- Krimi op Platt, Sophienhamm, Ohm-Verlag, 89 Seiten, ISBN 3-929641-05-4.
  • 2000: Wat ik di al ümmer maal vertellen wull, Sophienhamm, Ohm-Verlag, 89 Seiten, 3-929641-07-0.
  • 2006: De Mohls - En plattdüütschen Familienroman, Plaggenhauer, 380 Seiten, ISBN 3-937949-04-6.
  • 2006: Dat Licht, Plaggenhauer, 142 Seiten, ISBN 3-937949-05-4.
  • 2007: Dat sünd doch Juden, Plaggenhauer, 81 Seiten, ISBN-13: 978-3-937949-07-9.

Bislang unveröffentlichte Texte

Överspöönschen Kraam

Ein Indikator für die große Fabulierlust von Heinrich zeigt sich in dem unveröffentlicht gebliebenen aber fertiggestellten Band Överspöönschen Kraam. Sie enthält zwei fantastische Geschichten. In "Dat Märken vun de niege Schöpfung" erzäht Heinrich eine neue Schöpfungsgeschichte. Der Teufel, genannt Urian, reisst das Ruder an sich, weil Gott für einen 2. Versuch der Schöpfung nichts Besseres einfiel als vorzuschlagen, eine Jesa an den Start runterzuschicken in der Hoffnung, dass ja wohl niemand es wage, eine junge Frau ans Kreuz zu nageln. Nein, aus Sicht des Teufels hatte Gott seine Chance mit der Menschheit gehabt und sie offenbar nicht zu nutzen gewusst. Nun musste für den 2. Versuch mit mehr Intelligenz und Eleganz, für die der Teufel steht, als bislang vorgegangen werden.
(
Text, pdf)

Utwannern

Bislang unveröffentlicht blieb auch die kurze Erzählung "Utwannern" aus dem Jahre 1995. Ich habe die als verschollen geglaubte Aufnahme, in der Heinrich den Text vorliest, erst 2021 wiedergefunden.
(Text und Audioaufnahme)

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