Martin Rost
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Welches Gesetz gilt eigentlich?

Die Juristen nutzen eine Systematik zum Ordnen des Dschungels an Gesetzen zur modernen Kommunikationstechnik, die sich an das Schichten-Modell der Netzwerktechniker anlehnt. Diese Systematik hilft zu klären, welches der vielen Gesetze man bei welchen Regelungsfällen heranziehen muss und in welches benachbarte Gesetz hineinzuschauen sich lohnt.

Dass es sich bei den Regelungen mit Bezug zur modernen Kommunikationstechnik, also insbesondere dem Internet, um einen Dschungel handelt, zeigt sich auf den ersten Blick. Einschlägig sind das Teledienstegesetz (TDG), das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG), das Telekommunikationsgesetz (TKG), der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV), das Landes- (LDSG), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), die Telekommunikationsdatenschutzverordnung (TDSV), Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) und die Datenschutzverordnung (DSVO). Wie bekommt man da eine Ordnung hinein?

Netzwerk-Techniker denken in den sieben Schichten des OSI-Modells. Die oberste Schicht dieses Modells umfasst die Anwendungsprogramme (wie z.B. für E-Mail und Web) und deren speziellen Formate bzw. Protokolle (wie z.B. SMTP, HTTP). Die mittleren Schichten umfassen Protokoll-Aspekte der Fehlererkennung, des Transportes und der Adressierung (wie z.B. TCP/ IP). Die unterste Schicht umfasst die Standards, mit denen der reale Transport der Daten geschieht (wie z.B. Ethernet, Token Ring, WLAN). Auf dieses technische Modell nimmt das Drei-Schichten-Modell der Juristen Bezug, indem es zunächst zwischen den Regelungen für die Anwendungsebene und denen der mittleren Protokollebene unterscheidet. Über die oberste Ebene des technischen Netzwerkmodells hinausgehend besteht die dritte Schicht des Rechtsmodells aus den Regelungen zur Inhaltsebene einer Kommunikation (z.B. ein Vertragsverhältnis zwischen einem Kunden und einer Bank oder einem Bürger und einer Verwaltung. Das Modell der Juristen sieht im Einzelnen wie folgt aus:

Die Schicht 3 befasst sich mit der Bedeutungs- oder Inhaltsebene einer Kommunikation. Hier treten zwei Akteure miteinander in Beziehung: eine Person als Abfrager und eine Organisation als Anbieter. Zwischen ihnen spielen sich Kommunikationsvorgänge mit individuellem Gehalt ab. Die äußere Erscheinungsform und die technische Umsetzung spielen auf Schicht 3 keine Rolle. Für die rechtliche Beurteilung der Aspekte dieser Schicht gelten das BDSG, LDSG und die Verträge und deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

Schicht 2 bezeichnet die Interaktionsebene eines Nutzers mit der Technik. Hier wird aus einer an Inhalten interessierten abfragenden Person ein von der technischen Infrastruktur angeleiteter Nutzer. Er nutzt typischerweise einen Internetdienst, der von einem Inhaltsanbieter bereitgestellt wird. Der Nutzer hat mit Buttons, Menüs, Eingabefeldern und Links zu tun, der Anbieter stellt diese Bedienelemente der Dienste wie E-Mail und Web zur Verfügung. Technisch zählen zu dieser Schicht neben den Bedienungselementen die Protokolle HTTP, SMTP, FTP, NFS. Und hier gelten die Regelungen gemäß TDG, TDDSG bzw. MDStV.

Schicht 1 bezeichnet die Telekommunikationsebene. Es steht der PC -den ein Nutzer bedient (Schicht 2), der als Person über Inhaltliches kommuniziert (Schicht 3) - im Zentrum der Betrachtungen. Diese Ebene umfasst also Aspekte der Netzwerktechnik bzw. des Datentransports. Konkret spielen hier die Protokolle TCP, UDP sowie IP, ICMP, IPSEC, ARP und RIP als Beispiele eine Rolle. Für diese Schicht sind das TKG, TDSV und TKÜV einschlägig.

Auch Daten lassen sich nach diesen drei Schichten unterscheiden. Daten "wandern" durch die Schichten und werden juristisch jeweils unterschiedlich eingestuft, bevor sie ihre eigentliche Bestimmung finden. Beispiel: Wenn ein Nutzer eine Online-Registrierung für einen Internetdienst durchführt, werden seine Angaben als TK-Nutzungsdaten (Schicht 1) übertragen, sind dann Nutzungsdaten und werden schließlich zu Bestandsdaten (Schicht 2). Diese Bestandsdaten sind dann möglicherweise Bestandteile eines Vertragsverhältnisses im Rahmen einer Warenlieferung (Schicht 3).

Auf Schicht 3 spricht man von Inhalts- oder Geschäftsdaten, die die Art der Beziehung kennzeichnen. Darunter fallen die Stammdaten der Person (z.B. Name, Geburtsdatum, Anschrift) sowie die Daten über die Beziehungen (Warenbestellung, Bitte um Zusendung von Informationsmaterial, Mahnungen). Diese Kommunikationen können auch ohne Nutzung des Internet stattfinden, sind also medienungebunden. Werden derartige in einem Data Warehouse ausgewertet, handelt es sich um "Kundenprofile". Diese sind von den Nutzungsprofilen der Schicht 2 zu unterscheiden.

Auf Schicht 2 hat man es mit Teledienste-Bestandsdaten und Teledienste-Nutzungsdaten zu tun. Ein Nutzer, der den Internetdienst eines Anbieters beanspruchen möchte, muss sich oft mit Angaben über seine Person sowie einen Benutzernamen und Kennwort registrieren lassen. Zu den Nutzungsdaten zählen solche, die bei der Nutzung von Internetdiensten anfallen: Mausklicks, Mausbewegungen, Tastatureingaben, Seitenabrufe (URLs inkl. Parameter), per HTTP übertragene Werte sowie Cookies, Konfigurationsdaten (Betriebssystem, Browser) und Nutzereingaben. Auf der Anbieterseite fallen temporäre Daten wie die Session-ID oder der Session-Kontext und die Zeitpunkte der Nutzungsvorgänge an. Nutzungsprofile dieser Ebene entstehen in Form von Logdateien, die Mail- und Webserver erzeugen.

Auf Schicht 1 wird nach Telekommunikations-Bestandsdaten und TK-Nutzungsdaten unterschieden. TK-Bestandsdaten führt ein TK-Anbieter, der mit dem Nutzer eine Vertragsbeziehung unterhält (wie z.B. E-Mail). Die Daten sind zur technischen Durchführung von Telekommunikationsvorgängen erforderlich. Dazu gehören TK-Verbindungsdaten (IP-Adresse oder Telefonnummer für WAP-Dienste) und TK-Inhaltsdaten. Logdateien dieser Ebene enthalten typischerweise die IP-Adresse.

Diese Unterscheidungen machen deutlich, dass einem Datum auf den verschiedenen Schichten eine rechtlich unterschiedliche Bedeutung zukommt. Insofern erleichtert das Schichten-Modell die Antwort auf die Frage, in welches der Gesetze man zuerst hineinschauen sollte.


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