Martin Rost
Publikationen |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
EeePC901 mit Debian7.4 (als Ersatz für Windows XP)Oder: Warum man Ubuntu nicht installieren sollte...
http://www.maroki.de/pub/technology/debian74.html Nachdem ich mich zunächst darüber gefreut hatte, auf einem EEEPC-901 als Ersatz für XP unter Ubuntu13.10 alles für mich Wesentliche ans Laufen bekommen zu haben (Artikel hier), nahm der Ärger darüber zu, dass Ubuntu zwangsweise Lauschprozesse installiert. Neben dem ganz offensichtlichen Mist der engen Bindung an Amazon, die einem ungefragt aufgedrückt wird, entdeckte ich in der Prozesstabelle den zeitgeist-Daemon. Auf dem Ubuntuwiki war zum Thema Zeitgeist folgendes zu lesen:
Zeitgeist {en} ist ein Dienst, der im Hintergrund Benutzeraktivitäten aufzeichnet, z.B. besuchte Webseiten, geöffnete Dateien, bearbeitete Dokumente oder geführte Unterhaltungen – aber z.B. keine Kennwörter, Tastendrücke oder Ähnliches. Zeitgeist ist damit in der Lage, Beziehungen zwischen verschiedenen Inhalten und Ereignissen aufgrund ihrer Art und Verwendung zu ermitteln. Diese Informationen werden aufbereitet, miteinander verbunden und anderen Anwendungen zur Verfügung gestellt. Dies soll laut den Entwicklern zu einer völlig neuen Art der Dateiverwaltung und Verwendung führen. Beispielsweise sollen sich so Dateien ereignisbasiert suchen lassen, etwa nach dem Muster: "Wo ist das Dokument, das ich vorgestern mit OpenOffice erstellt und dann per Mail an meine Firma geschickt habe?" Standardmäßig zeichnet Zeitgeist in Ubuntu nur auf, welche Dateien geöffnet und welche Programme gestartet werden. Zeitgeist wird derzeit insbesondere von Unity, aber auch von Desktop-Umgebungen wie GNOME 3 oder KDE sowie verschiedenen Anwendungen wie Banshee, Docky und Synapse genutzt. Was soll das denn? Ich hätte allerdings wissen können, dass Ubuntu Spyware ist, wie Richard Stallmann schon 2012 festgestellt hatte. Ich erinnerte mich dann auch dunkel, dass da was mit Ubuntu war... ich hatte es schlicht über das zweifellos gute Marketing von Canonical der letzten Jahre vergessen. Was ist zu tun? Man kann versuchen, Zeitgeist zu deinstallieren, wobei Ubuntu auch sonst noch nach Hause telefoniert. Und man sollte den Artikel von Richard Stallmann: Ubuntu ist Spyware! lesen, wenn man partout von Ubuntu nicht lassen möchte. Nachdem ich einige Tage lang geradezu in Schockstarre verharrte, bot sich die Gelegenheit, einen neuen Rechner frisch mit Ubuntu aufzusetzen, und Zeitgeist dann umgehend zu deinstallieren. Mal sehen was passiert, wie stark Zeitgeist in das System integriert ist... Der neu installierte Rechner bot nach der Deinstallation von Zeitgeit und dem dann fälligen Neustart kein Login mehr. Tja, Hardwarefehler? Konnte der grub nicht in den MBR schreiben? Das muss nicht kausal an der Deinstallation von Zeitgeist liegen... Es folgte eine erneute Installation, zunächst ohne Abriss von Zeitgeist. Dann Neustart, das Login erschien wie erwartet. Zeitgeist dann wieder deinstalliert, Neustart, wieder kein Login. Ratlosigkeit. Ist das zu glauben? Auf meinem eigenen Ubuntu-Zweitlaptop, der länger schon einwandfrei ohne Hardware-Auffälligkeiten lief, hatte ich danach Zeitgeist, nach der oben gelinkten Anleitung und mit allem, was Zeitgeist auch nur im Namen führte, vollständig gelöscht, nachdem ich vorher die wesentlichen Dateien gesichert hatte. Die Folge war, dass nach dem anschließenden Neustart der Bildschirm schwarz blieb, und ich dann irgendwann in den schwarzen Bildschirm hinein ein Terminalfenster öffnen konnte, allerdings ganz ohne Passwort-Abfrage. Ein Nachladen und Installieren der Zeitgeist-Library war in diesem Zustand möglich, zumal der Rechner in diesem bis dahin unbekannten Zustand so nicht weiter nutzbar war. Mit dem nochmaligen Neustart nach dem Wiedereinspielen von Zeitgeist wurde zwar ein Login angezeigt, auch das Passwort wurde als korrekt akzeptiert, aber ich konnte mich trotzdem nicht mehr einloggen, ich kam nicht mehr ins System. Unter anderen Umständen hätte ich mich an den Versuch einer Rettung des Rechners gemacht.... nun aber war die Konsequenz klar... Konsequenz1. Ubuntu wird auf meinen Rechnern abgerissen; canonical verfolgt offensichtlich eine ähnlich aggressive Enteignungsstrategie der Maschinen wie Google, Apple und Microsoft. Und durch ein klassisches Debian ersetzt (bei dem allerdings ebenfalls viele Prozesse laufen, von denen mir nicht klar ist, was diese bewirken). Laut schneller Internetrecherche soll das ansonsten attraktive "Linux Mint" ebenfalls vom Zeitgeist befallen sein. 2. Diesen Artikel schreiben, um vor der Nutzung von Ubuntu zu warnen und zur Installation eines Debian zu ermutigen. 3. Auffordern, mal wieder in die Prozesstabelle hinein zu sehen (ps -aux | less) und versuchen zu verstehen, welche Prozesse da laufen (müssen), insbesondere dann, wenn man ein einigermaßen aktuelles KDE oder GNOME benutzt. ErkenntnisEs wird bei einem aktuellen Desktop-Ubuntu ungefragt die Systemnutzung eines Nutzers aufgezeichnet. Mit einer aus meiner Sicht vollkommen sinnbefreiten Begründung ("Dies soll laut den Entwicklern zu einer völlig neuen Art der Dateiverwaltung und Verwendung führen."). Man kann zwar ein Opt-Out-Lösung finden (unter dem Reiter "Datenschutz & Sicherheit"), eine problemfreie Deinstallation von Zeitgeist ist offenbar nicht möglich, man wird anschließend mit einem nicht funktionierenden Rechner bestraft. Warum sollte man der Zusicherung einer Organisation vertrauen, die einem ungefragt Spyware unterjubelt, wenn diese versichert, Passwort-Eingaben wahrscheinlich nicht zu loggen und die gespeicherten Daten wahrscheinlich nur auf dem lokalen Rechner zu belassen? Und die eine Deinstallation des Programms bestraft? Ist dem noch Glauben zu schenken, dass entsprechende Datenschutzschalter tatsächlich berücksichtigt werden? Es gibt angesichts der komfortablen Debian-Distributionen keinen Grund, sich für Ubuntu zu entscheiden. Keine der Abfragen bei der Debian-Installation für einen Desktop stellen einen Neueinsteiger vor stärkere Herausforderungen als eine Ubuntu-Installation. Man lädt ein schmales Debian-ISO-Image down (Debian CD-Distribution), brennt das Image auf einen CD-Rohling, startet die Installation von CD, muss die Lokalisation durchführen, sich für eine der drei Partitionierungsoptionen entscheiden und bezieht zum Schluss, eine passable Internet-Anbindung vorausgesetzt, weitere Pakete per Download direkt von den Debian-ftp-Servern. Das war es. Und dann ist auch schon LibreOffice installiert. Ebenso firefox, der allerdings aus rechtlichen Gründen iceweasel heisst. thunderbird muss man über das Paketverwaltungsprogramm Synaptic, das ebenfalls keinen Ticken komplizierter ist als die Paketverwaltung unter Ubuntu, nachladen, und heisst dort icedove. Das Einbinden weiterer externer Programme, von denen man nicht lassen kann oder nicht lassen will - wie XMind, Skype, truecrypt oder xournal - funktioniert genau so komfortabel und problemfrei wie unter Ubuntu. Einzig wurde auf meinem EEEPC-901 der WLAN-Treiber zunächst nicht unterstützt. Dieses kleine Restproblem liess sich lösen, indem sich der Treiber (hier) herunterladen und mit einem "dpkg -i firmware-ralink_0.36....(usw.)" installieren ließ. Die Debian-Installation läuft, so ist mein Eindruck, obendrein flotter als das Ubuntu13.10.
FazitEin aktuelles Debian 7.4. Wheezy kann ein XP bei wesentlichen Anwendungen vollwertig ersetzen und steht einem, als besonders einsteigerfreundlich geltenden, Ubuntu weder in der Einfachheit der Installation noch im Komfort bei der Nutzung nach. Eine Debian-Standardinstallation bietet jedoch, so darf man vermuten, etwas mehr Datenschutz. |
|