6.1 Die Mitglieder der MailinglistsIn diesem Abschnitt gehe ich der Frage nach, wie sich der Kreis der Mitglieder zusammensetzt. Mich interessiert, wie viele Mitglieder die Mailinglists subscribiert haben und wie die monatlichen Zuwachsraten ausfallen, wie die Verteilung der Geschlechter und akademischen Positionen ausfällt und eine ganze Reihe weiterer Fragen dieser deskriptiv-sichtenden Art.
Der über den gesamten Zeitraum seit Bestehen der Mailinglists gemittelte, geringe Frauenanteil in der ML-Luhmann hat mich am meisten überrascht. Dass sich hier aber in den letzten Jahren etwas getan hat, zeigen zum Vergleich die Zahlen des aktuellen Mitgliederbestands. Die Frage nach dem geringen Frauenanteil verfolge ich gleich weiter. Zunächst wenden ich mich den absoluten Mitgliederzahlen zu. Um einmal nur grob abzuschätzen, wie hoch der Anteil der gegenwärtig in Deutschland mit Soziologie Beschäftigen liegen mag, der sich in die ML-Soziologie eingeschrieben hat, beschränke ich mich der eindeutigen Datenlage wegen auf die 35222 Studierenden der Sozialwissenschaften im Wintersemester 1996 (bmb+f, Grund- und Strukturdaten 1998/99: 156). Gemäß den Angaben der Befragung beträgt der gegenwärtige Anteil an Studenten in der ML-Soziologie 40%, den ich einmal über die Jahre als konstant annehme. Bezogen auf die 401 Teilnehmer der ML-Soziologie im Dezember 1996 (siehe die nachfolgende Grafik) hatten somit knapp 0.5% der Sozialwissenschaften-Studierenden die Mailinglist für Soziologie subscribiert. (Ergebnistabelle V58)(Endnote 1) .
Nun zum monatlichen Zuwachs an Mitgliedern seit Bestehen der Liste bis zum Dezember 1998: ![]() Während in den ersten beiden Jahren die Zahl der Mitglieder pro Jahr in guter Näherung linear zunahm (ML-Soziologie etwa 120 pro Jahr, ML-Luhmann etwa 100 pa), flacht die Kurve seit dem Jahreswechsel 1996/ 1997 in der ML-Soziologie recht deutlich ab, um dann seit August 1997 für einen längeren Zeitraum bei etwa 480 Mitgliedern zu stagnieren. Der Zuwachs an Mitgliedern in der ML-Luhmann hält dagegen recht beständig an.(Endnote 2) Zieht man zum Vergleich den Zuwachs an Internet-Benutzern heran - der im gesamten Untersuchungszeitraum exponentiell wachsend verläuft, wenn man die Zahl der an das Internet angeschlossenen Server zugrundelegt und die Anzahl der Personen pro Server als konstant annimmt (siehe http://www.cc.gatech.edu/gvu/user_surveys/) -, so drängt sich die Vermutung auf, dass sich die Teilnehmer der Listen eher gezielt themen- und weniger gelegenheitsorientiert in die Mailinglists eintragen. Es spielt hier offenbar mehr eine Rolle, dass die Teilnehmer mit Soziologie bzw. Gesellschaftstheorie befaßt sind, als dass sich ihnen durch Internetzugang eine Gelegenheit bietet, unter diesen günstigen Bedingungen zu beobachten, was Soziologinnen und Soziologen bzw. Systemtheoretikerinnen und Systemtheoretiker umtreibt. Diese Vermutung wird durch die nachfolgend aufgeführten Befunde, insbesondere durch die Ergebnisse der Befragung, erhärtet werden. Diese These vom spezifischen Interesse an der Thematik der Mailinglist - gegenüber einer bloss guten Gelegenheit, mal hineinzuschnuppern - wird gestützt, wenn man vergleicht, wie viele Mitglieder zugleich in beiden Mailinglists eingeschrieben waren und wie viele von der Existenz der jeweils anderen Mailinglist wissen. Zum Zeitpunkt 1999/01/01 ergab dies eine Schnittmenge von 104 Mitgliedern (ML-Soziologie: 20.1%, ML-Luhmann: 24.6%). Dafür das Luhmann in den Nachrufen zu den "Theoriekönigen" (ZfS vom Dezember 1998) oder "Lichtbringern" (Neue Züricher Zeitung vom 12.11.1998) der Soziologie gekrönt wurde und zweifellos zu "einem der bedeutendsten deutschen Gesellschaftswissenschaftlern der Nachkriegszeit" (TAZ vom 12.11.1998) zählt, ist diese Zahl meiner Ansicht nach erstaunlich gering. Auf die Frage im Fragebogen, ob man die andere Mailinglist kenne, gaben 62.8% der Teilnehmer der ML-Soziologie an, dass sie von der ML-Luhmann wüßten, in der ML-Luhmann wußten 45.5% von der Existenz der ML-Soziologie (Ergebnistabelle V28). 6.1.1 Das Alter der MitgliederDie Befragten der ML-Soziologie sind mit durchschnittlich 34.3 Jahren um ein Jahr jünger - es handelt sich allerdings um keine signifikante Differenz -, wenn auch altersmäßig etwas heterogener zusammengesetzt, als die Befragten der ML-Luhmann (Ergebnistabelle V60). Damit liegen diese Zahlen sehr nahe denen, die für Internet-Nutzer generell gelten: Bei ausschließlich privaten Nutzern liegt der Mittelwert bei 35.7 Jahren. Rechnet man noch diejenigen hinzu, die ausschließlich im Beruf über einen Internetzugang verfügen, sind es 36.8 Jahre (vgl. Fittkau & Maß 1999). 6.1.2 Der akademische Status der MitgliederDas Ergebnis einer früheren Studie zur ML-Soziologie (vgl. Rost 1996d), in der die Mitglieder nach ihrem akademischen Status befragt wurden, ergab folgende Verteilung (Gesamtzahl der TeilnehmerInnen: 101 bei einer Rücklaufquote von 32%):
Für die vorliegende Studie wurde das Kategorienset zur Ermittlung des akademischen Status klarer unterschieden und höher aufgelöst. (Ergebnistabelle V58)
Vergleicht man zunächst die aktuellen Zahlen der ML-Soziologie mit denen von 1996, so stellt man eine nur ganz leichte Verschiebung fest, die man statistisch kaum Ernst nehmen darf.(Endnote 3) Noch am deutlichsten nimmt offenbar der Anteil der nicht-akademischen Laien in der ML-Soziologie ab, von ehemals 5% auf nunmehr 2% (gemittelt über die beiden Kategorien msBzS und osBzS), der durch die anteilige Zunahme eher von den Lehrstuhlinhabern und Studierenden als dem Mittelbau ausgeglichen wird. Dieser Befund einer solch geringen Dynamik überrascht. Ich hätte eine wesentlich eindeutiger erkennbare Veränderung zugunsten des Anteils akademisch-etablierter Mitglieder erwartet und auf keinen Fall sogar noch eine tendentielle Zunahme des Anteils der Studierenden.
Bemerkenswert an der aktuellen Verteilung ist, dass die Luhmann-Liste zu 41% von Nicht-SoziologInnen subscribiert wurde, die allerdings zu einem Anteil von 72% (ML-Soziologie: 55%) einen gefestigten akademischen Status innehaben. Über ein Drittel der befragten Mitglieder der ML-Luhmann verfügen mit Bezug zur Soziologie über einen zumindest promovierten Status, gegenüber einem knappen Viertel in der ML-Soziologie. 6.1.3 Der Frauenanteil unter den Mitgliedern![]()
In allen drei Listen nimmt der Frauenanteil zwar tendentiell zu, doch das Niveau der absoluten Zahlen ist niedrig. Dieser Befund muss erstaunen, auch wenn er nicht überrascht. Vergleicht man die Frauenanteile, dann zeigt sich, dass die ML-Soziologie mit einem Anteil von über 22% startete, dann innerhalb des folgenden Jahres auf 13% sackte und seitdem mit einer leichten Tendenz stetig nach oben zeigt. Einen ähnlichen Verlauf weist die ML-Luhmann auf, allerdings mit einem absolut weitaus geringeren Frauenanteil. Während in der Frühzeit der Liste der Anteil 10% betrug, sackte der Anteil innerhalb eines halben Jahres auf knapp 5%, oszillierte dann gut zwei Jahre lang zwischen 7% und 8% und weist erst seit Anfang 1998 eine stetige Tendenz nach oben auf. Diese Zahlen sind insofern bemerkenswert und erklärungsbedürftig, weil allein der Anteil an Studentinnen der Sozialwissenschaften über 50% beträgt (für 1996: 17950 Studentinnen zu 17272 Studenten, Quelle: bmb+f, Grund- und Strukturdaten 1998/ 1999) und selbst der ohnehin geringe Anteil der weiblichen Habilitierten 1996 mit 12.3% höher liegt. Setzt man den Zuwachs des Frauenananteil in den letzten Monaten ins Verhältnis zur relativen Abnahme der Mitglieder insgesamt, dann ist diese Entwicklung vermutlich weniger als ein verstärktes Drängen nun auch der Frauen in die Mailinglists zu interpretieren, als vielmehr als ein Nachlassen des Drängens der Männer. Die Angaben zum Frauenanteil unter den Internet-Nutzern ganz allgemein lag 1995 bei 6%, im Herbst 1998 bei 17% (siehe: iX 1999/02: 16). Allerdings ist diese Angabe problematisch, wenn man den weiblichen Anteil der Internet-Nutzer in den wenigen vertrauenswürdigen Studien vergleicht. Der Frauen-Anteil wird in anderen Befragungen, die sich, so weit ersichtlich, alle auf 1997 beziehen, mit 12% (W3B-Umfrage), 15% (3-Länder-Umfrage), 20% (Umfrage der Uni Leipzig), 27% (ARD-Online) und 28% bis 32% (Academic Data) angegeben (Bandilla/ Hauptmanns 1998: 45f). Der Anteil der Frauen, der den Fragebogen im März 1999 beantwortete, betrug in der ML-Soziologie 23.4%, in der ML-Luhmann 13.7% (Ergebnistabelle V61). Die Zahlen belegen, dass die durch die neuen Informations- und Kommunikationtechniken geschaffenen Spielräume von Frauen weitaus weniger genutzt werden als von Männern, obwohl die bestehenden Netzforen für beide Geschlechter gleichermaßen zugänglich sind. Weder an den PCs der Schulen noch an denen der Hochschulen noch am heimatlichen PC dürften sich strukturelle Hindernisse dafür finden lassen, dass Frauen von vornherein weniger mit Computern und Netzen in Berührung kommen als Männer. Auch die Vermutung einer fehlenden Bereitschaft zur Nutzung von Computern kann hier nicht überzeugen, da der Übergang von der Schreibmaschine zum Computer im akademischen Bereich inzwischen weitgehend vollzogen sein dürfte. Woran es offenbar aktuell hauptsächlich noch mangelt, ist die theoretische und praktische Bereitschaft, den Übergang vom Computer zum Netz zu vollziehen. Am wahrscheinlichsten erscheint mir deshalb die These, dass Frauen vor allem sich selbst vom Gebrauch elektronischer Foren ausschliessen und nicht etwa unmittelbar sozial ausgeschlossen oder zumindest behindert werden. Worin nun die ungleichen Bereitschaften begründet liegen und welche sozialen Bedingungen dafür die Voraussetzung abgeben, darauf kann an dieser Stelle keine überzeugende Antwort gegeben werden. Ebensowenig liesse sich mit Bestimmtheit sagen, ob diese Ungleichverteilung dauerhafte Züge annehmen wird. Es ging lediglich darum, für die Erstaunlichkeit und Erklärungsbedürftigkeit der festgestellten Ungleichheit sensibel zu machen. Weil auf die Frage nach den Gründen für die geringe Repräsenation von Frauen in den untersuchten Listen zum Zeitpunkt der Fragebogenerstellung keine befriedigende Antwort zu finden war, interessierten mich die Meinungen der Mitglieder zu diesem Problem (Ergebnisse V62). Die frei gegebenen Antworten wurden für jede Mailinglist kategorisiert und anschliessend ausgezählt.
Die unterschiedlichen Anteile von Frauen und Männern in den Mailinglists haben die Teilnehmer mit folgenden Thesen erklärt:
Die beiden insgesamt am häufigsten gewählten Erklärungen führen den deutlich geringeren Frauen-Anteil in den Mailinglists demnach zum einen auf unterschiedliche Interessen und Kenntnisse im Bereich der Computertechnik und zum zweiten, speziell in der Luhmann-Liste, auf unterschiedliche Theorieinteressen und -kenntnisse von Männern und Frauen zurück. Dabei reicht das Spektrum der Thesen zum Verhältnis von Geschlecht und Computertechnik von der Annahme, dass Frauen im geistes- und sozialwissenschaflichen Bereich generell weniger an Informationstechnik interessiert seien bis hin zur Unterstellung einer allgemeinen "Technikphobie", die Frauen insgesamt zuzuschreiben sei. Die Spannweite der Thesen hinsichtlich des ungleich verteilten Theorieinteresses reicht von der Annahme, dass Frauen generell weniger Theorieinteressen und -kenntnisse ausbilden bis hin zu Aussagen dass sich Theorieinteressen und Kenntnisse auf andere Bereiche bezögen. In den Antworten beider Listen werden kaum mehr unmittelbare strukturelle Zwangsverhältnisse und Hindernisse als Erklärung für die bestehenden Unterschiede der Geschlechteranteile in den Listen herangezogen. Statt dessen beziehen sich die Erklärungen primär auf den Bereich der Wirksamkeit subjektiver Unterschiede. Dabei bestehen allerdings deutliche Unterschiede in den favorisierten Angaben zwischen beiden Listen. Es werden wenig überraschend solche Erklärungen bevorzugt, die durch den thematischen Rahmen der jeweiligen Mailinglist nahegelegt werden. Dass in der ML-Soziologie, im Unterschied zur ML-Luhmann, die These unterschiedlich ausgebildeter Theoriekenntnisse und Interessen kaum eine Rolle spielt, hängt vermutlich damit zusammen, dass diese Liste von ihren Mitgliedern nicht als ausgesprochene Theorieliste, sondern eher als Serviceliste begriffen wird.(Endnote 4) Womöglich ist die dürre These am plausibelsten, dass Frauen womöglich stärker vom unmittelbaren Nutzen überzeugt sein müssen, bevor sie sich auf eine neue Technik oder ein neues Verfahren einzulassen bereit sind. So heißt es in einer aktuellen Meldungen des Heise-Newstickers vom 30. Mai 2000:
Als ein kurzes Zwischenfazit auf Basis dieser sozialstrukturellen Fragestellungen liesse sich sagen, dass die Zusammensetzung der Mitglieder den diskursiven Zusammenhang zwischen den formal Bildungsungleichen verdichtet. Es kommt zu einer kommunikativen Aufhebung der strikten Rollentrennung von akademischem Lehrer und Schüler. Es werden Erfahrungen mit dialogischen Umgangsformen gesammelt in einer Situation, in der mit einem traditionellen Bildungstitel nicht notwendig zugleich auch ein privilegierter Wissensanspruch und die gesellschaftlich adäquate Fähigkeit zu lernen erhoben werden kann. Die geringe Zahl an Mitgliedern deutet darauf hin, dass die Mitgliedschaft in einer Mailinglist jedoch noch weit davon entfernt ist, als akademische Normalität gelten zu können. Das Durchschnittsalter der Mitglieder zeigt, dass es sich vorwiegend um Mitglieder um die 35 Jahre handelt, von denen die Angebote der Liste genutzt werden. Diese stehen nicht mehr am Anfang ihrer intellektuellen Entwicklung, wohl aber, wie die Verteilung der Bildungstitel zeigt, noch am Beginn ihrer akademischen Laufbahn. Diese Konstellation bedeutet eine Position, in der der Zwang und die Bereitschaft zu intellektueller Produktivität besonders hoch sind. Dies läßt vermuten, dass hier bei den Protagonisten eine besonders hohe Aufnahmebereitschaft vorliegt, die zu der Erwartung führt, dass die Ergebnisse von Mailinglistkommunikationen im bestehenden Wissenschaftssystem durchaus einflußreicher sind als die geringe Reputation einer Mailinglist und die relativ kleine Zahl an Mitgliedern nahelegen. 6.1.4 Von welchem PC aus beobachten die Mitglieder das Geschehen der Listen?![]() Zählt man anhand der E-Mailadressen der Mitglieder die Hochschul-Accounts aus, dann schwankt der Anteil in der ML-Soziologie beständig zwischen 41% und 47%, während er in der ML-Luhmann inzwischen unter 40% liegt und mit einer klaren Tendenz nach unten zeigt. Für Mitglieder von Hochschul-PC aus fallen die ökonomischen und technischen Teilnahmekosten relativ am geringsten aus, weil sie hierfür zumeist auf die Wartungsspezialisten der Hochschule zurückgreifen können. Am teuersten ist die Teilnahme für diejenigen, die sowohl vom Büro-/Rechnerpool-PC als auch privat auf die Liste zugreifen können. Unter den Befragten der ML-Soziologie ist das bei 20.8%, unter denen der ML-Luhmann zu 23.8% der Fall. Die meisten Befragten haben sich allerdings ausschließlich von ihrem Privat-PC aus eingeschrieben (S: 38.2 / L: 40.6%), gefolgt von der Teilnahme ausschließlich vom Büro-PC aus (S: 31.2%/ L: 30.8%). Die geringste Rolle spielt die Subscription ausschließlich vom Rechnerpool-PC aus (S: 8.1 / L: 3.6%) (Ergebnistabelle V2). 6.1.5 Wie wurden die Mitglieder auf die Mailinglists aufmerksam?Eindeutig die meisten Befragten wurden durch die "gezielte Recherche im Netz" (S: 35.5% / L: 39.9%) auf die Mailinglist aufmerksam, gefolgt vom "Hinweis durch Kollegen" (S: 19.2% / L: 28.7%). Keine Rolle spielen dagegen "Netz- und Computerschulungen" (Ergebnistabelle V1). Dieser Eindruck, dass Computer- und Netz-Schulungen kaum eine Rolle spielen - und dass es offenbar auch gar keine relevanten Angebote für speziell am Fach ausgerichtete Schulungen gibt (oder zumindest sind sie, falls es sie gibt, nicht so attraktiv, dass sie genutzt würden) -, verstärkt sich, wenn man die Antworten auf die Frage, wie der Einstieg in den Umgang mit Computernetzen gefunden wurde, durchsieht. Die Hauptantwort lautet hier: "Durch Ausprobieren am PC ohne Buch" (Ergebnistabelle V56). Dabei zeichnet sich ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Listen ab: Während in der ML-Soziologie überwiegend am Büro-/Rechnerpool-PC ohne Buch probiert wird (25.2%, Ausprobieren am Privat-PC ohne Buch: 24.6%), überwiegt in der ML-Luhmann das Ausprobieren am Privat-PC ohne Buch (33.1%, Ausprobieren am Büro-/Rechnerpool-PC ohne Buch: 24.5%). Eindeutig keine Rolle spielen Schulungen, wie sie etwa von den in der Regel privat zu bezahlenden Volkshochschulen angeboten werden, immerhin eine kleine Rolle spielen von Uni oder Arbeitgeber bezahlte Schulungen (S: 5.6% / L: 6.5%). Etwas überraschend ist der geringe Anteil der Einweisungen durch Kollegen oder Freunde (S: 13.5% / L: 9.35%), die mit entscheidenden Tips weiterhelfen. Die zumeist persönliche Einweisung durch bereits Erfahrenere (sowie durch Schulungen aus dem Umfeld des Rechenzentrums oder des Informatik-Instituts für einen bereits leidlich eingewiesenen Nutzerkreis) spielte zu den Pionierzeiten der Netznutzung Anfang der 90er Jahre dagegen eine große Rolle, einfach deshalb, weil es kaum Netzanwendungs-Literatur gab und die Thematik so neu und Bedienung der Programm so kryptisch war, dass man durch bloßes Ausprobieren kaum weiterkam.(Endnote 5) Insofern läßt sich dieser geringe Anteil der persönlichen Einweisung durch Experten und Schulungen als ein Indiz dafür nehmen, dass die Pionierzeiten der Netznutzung vorbei sein könnten. Man kommt offenbar auch ohne Einweisungen durch Probieren zu befriedigenden Ergebnissen. Dass die Pionierzeiten der Netznutzung auch dem Selbstverständnis nach zuende sind, zeigt sich darin, dass sich in der ML-Soziologie 65.5%, in der ML-Luhmann 78.3% der Befragten nicht als Pioniere der Netznutzung sehen (Ergebnistabelle V54). Es läßt sich allerdings bezweifeln, ob die Netz-Technik inzwischen tatsächlich so anwendungsfreundlich ausgelegt ist, dass man durch bloßes Ausprobieren in kurzer Zeit zu einem hinreichenden Anwendungs-Know-How gelangen kann. Vermutlich gibt es in den Mailinglists einen recht hohen Anteil an Mitgliedern, die mit ihren Netzprogrammen nur unbeholfen umzugehen wissen. Ein Hinweis dafür gibt die große Anzahl an fehlerhaft zugeschickten Antwort-Mails und die insgesamt sieben Befragten, die sich nicht in der Lage sahen, im Fragebogen ein x zwischen den eckigen Klammern einzufügen. Wie sich herausstellte, war diesen nicht klar, dass sie zuvor mit Reply hätten antworten müssen, damit der Fragebogen bearbeitbar in den Editor geladen wird. Immerhin sahen sich diese sieben Befragten aber in der Lage, eine Mail zu verschicken, um auf den vermeintlichen Mißstand hinzuweisen - es wird vermutlich einige Befragte gegeben haben, die nicht einmal dazu in der Lage waren. Und immerhin sind diese sieben bereits Mitglieder einer Mailinglist. Ich beobachte in meiner Umgebung, dass es bei gegebenem hohen inhaltlichen Interesse und vorhandener Technik durchaus Monate und sogar Jahre dauern kann, bis jemand seine technische Unsicherheit überwindet und sich in eine Mailinglist einschreibt. Die Anwendungsprogramme sind inzwischen so ausgelegt, dass man durch Probieren zumeist zu ersten Erfolgen kommt und der Lernmodus des Ausprobierens auf Dauer nicht entmutigt wird. Aber es ist erfahrungsgemäß noch immer für viele Anwender ein Problem, beispielsweise Grafiken oder Texte zu verschlüsseln oder auch nur so zu verschicken, dass der Empfänger beim Dekodieren keine technischen Schwierigkeiten bekommt. So wird von den meisten Anwendern, wenn sie Texte verschicken möchten, beim Empfänger beispielsweise die Verwendung des Textverarbeitungsprogramms WinWord einfach vorausgesetzt, wobei vielen schlicht nicht klar ist, dass das Dateiformat von Word nicht einmal zu sich selbst kompatibel ist.(Endnote 6) Selbstverständlich sind technische Unzulänglichkeiten nicht den Anwendern zuzurechnen, vielmehr geht es um die Kompetenz, unter widrigen Umständen, in denen Ausprobieren zu lange dauert, durch Wissen funktionierende Workarounds zu finden. Dass eine effiziente Ausbildung an den Maschinen ganz offenbar eine geringe Rolle spielt, läßt sich insgesamt als Indiz dafür werden, dass dieses Medium nicht Ernst genommen wird und unter den wissenschaftlichen Kommunikationsmedien keine relevante Position einnimmt. Man kann es sich bislang ungestraft leisten, sich in den neuen Medien unbehende zu zeigen. Legt man den Grad der institutionalisierten Ausbildung als Maßstab zugrunde, so kann man zu dem Schluss gelangen, dass die Pionierzeiten der Netznutzung noch nicht beendet sind. Bislang darf jeder selber zusehen, wie er klarkommt. Der Bedarf an institutionalisierter, gar fachausgerichteter Ausbildung an den Kommunikationsmaschinen für WissenschaftlerInnen wird offenbar nicht gesehen oder wird in den Prioritäten als so niedrig eingestuft, dass Geld dafür nicht in hinreichendem Maße zur Verfügung steht. Es arbeiten, um die Situation vollmundig zu zeichnen, überwiegend ungelernte Arbeiter an den Informations- und Kommunikationsmaschinen. Ein weiteres Indiz dafür, dass Textverarbeiter trotz des Technikeinsatzes unter faktisch wenig professionellen Bedingungen arbeiten, zeigt sich im technischen Umgang mit aufbewahrenswerten Beiträgen (Ergebnistabelle V16). Man muss gar nicht erst per Kreuztabelle die Wissenschaftler von den Laien trennen, zu eindeutig sind die Zahlen. In beiden Listen speichern die Befragten solche Beiträge überwiegend in einem eigens dafür eingerichteten Verzeichnis ab (S: 43.3% / L: 41.1%) oder belassen sie im Mail-Verzeichnis (S: 21.6% / L: 22.7%). Und ein durchaus nennenswerter Anteil der Befragten druckt gute Beiträge aus (S: 12.9% / L: 19.2%). Keine Rolle (über drei Items zur (teil)automatisierten Weiterverarbeitung von Artikeln aggregiert, beträgt der Anteil in der ML-Soziologie 1.17% und in der ML-Luhmann: 2.84%) spielen dagegen Automatismen, die die Weiterverarbeitung solcher Beiträge durch eine höher auflösende Organisation der Daten erleichtern. Obwohl es technisch naheliegt, wenig bis keine Mühe und kein Geld kostet, werden archivierwürdige Beiträge demnach weder von Hand noch automatisiert einem lokalen Informationssystem zugefügt. Ebenso wird auf die Vorteile eines Volltext-Indexierers verzichtet, mit dessen Hilfe der gesamte Textdatenbestand einer Festplatte anhand von Stichworten automatisiert durchsucht werden kann und dessen Installation und Anwendung trivial ist. Solche Programme stehen nicht nur unter Linux, sondern auch unter anderen Betriebssytemen zur Verfügung - und wenn nicht, wäre das ein hinreichender Grund zu erwägen, das Betriebssystem zu wechseln. Man darf vermuten, dass einige Mitglieder die Beiträge zumindest so abspeichern, dass die Dateinamen der abgespeicherten Beiträge instruktiv formuliert sind und dass bei Recherchen hin und wieder auf solche Dateiendurchsuchprogramme wie grep zurückgegriffen wird. Selbstverständlich ist in Rechnung zu stellen, dass es hier vielfach an Wissen mangelt und die Mitglieder auf das angewiesen sind, was ihnen die Werbung verspricht - womit wieder die schlechte Ausbildungssituation im Umgang mit modernen Kommunikationsmaschinen angesprochen ist. Wenn man diese Ergebnisse betrachtet, könnte man meinen, dass es um die oben formulierte Industrialisierungsthese nicht gut bestellt sei, schließlich arbeiten die meisten der befragten Mitglieder an ihren vernetzten PCs im Modus besserer Schreibmaschinensimulationen.(Endnote 7) Die Industrialisierung der Mitteilungsverarbeitung findet objektiv statt, sei es in Form der Automatisierung von Verwaltungsvorgängen, sei es in Form von e-commerce oder in Form der Installation von Workflow- oder Groupware-Applikationen. Nur hat diese Entwicklung bislang die Wissenschafts-Organisationen, speziell die im sozialwissenschaftlichen Bereich, offenbar noch nicht im vollen Maße erreicht. Das Ausmaß der Hochschulkrise ist somit sicher noch steigerbar. 6.1.6 Warum werden diese Mailinglists subscribiert?Dieses soeben festgestellte geringe Niveau der Automatisierung überrascht insofern, weil für die Mehrzahl der Befragten das Hauptmotiv zur Subscription einer Mailinglist ganz eindeutig darin besteht, die Beiträge der Mailinglist für die eigene Arbeit verwerten zu können (S: 89% / L: 92.2%) (Ergebnistabelle V8). Es läge also nahe, ein leistungsfähiges Archivsystem anzustreben. Recht hoch ist ebenso der Anteil derjenigen, deren Motiv darin besteht, beobachten zu können, ob andere Mitglieder am gleichen Thema arbeiten (S: 84.5% / L: 78.4%) (Ergebnistabelle V10). Als nicht ganz so wichtig wie die Verwertung von Mailinglist-Beiträgen und die Suche nach Konkurrenten/ Gleichgesinnten wird die Möglichkeit eingestuft, sich per Mailinglist aktiv und möglichst schnell an Expertinnen wenden zu können (S: 64.3 / L: 61.5) (Ergebnistabelle V9). Ein weiteres vorgegebenes Motiv war die Unterstellung, dass Mitglieder ihre selbstentwickelten Thesen in der Mailinglist ausprobieren möchten. Dieses Motiv wurde in der ML-Soziologie von 29.3% der Befragten als zutreffend bezeichnet, in der ML-Luhmann von 45.9% (Ergebnistabelle V7). Einen ähnlich signifikanten Unterschied zwischen den beiden Listen gab es beim Motiv, ohne spezifische Absichten beobachten zu können, was die Mailinglist zu bieten hat: In der ML-Soziologie gaben das 70.7%, in der ML-Luhmann 51.1% der Befragten an (Ergebnistabelle V12). Eine nur geringe Rolle spielt das Motiv, beobachten zu können, ob die eigenen Publikationen in den klassischen Medien in der Mailinglist eine Rolle spielen (S: 11.5% / L: 17%) (Ergebnistabelle V11). Insgesamt weisen diese Zahlen darauf hin, dass die Mitglieder der ML-Luhmann mit spezifischer ausgerichteten Motiven am Geschehen der Mailinglist teilnehmen als die ML-Soziologie-Mitglieder. 6.1.7 Wie ist der Umgang mit den Mailinglists und wie wird deren Bedeutung für den wissenschaftlichen Diskurs taxiert?Auf die Frage, wie häufig die Mitglieder das Geschehen in den Mailinglists verfolgt, antworteten rund Dreiviertel der Befragten, dass sie die Beiträge der Listen mehrmals pro Woche lesen (Ergebnistabelle V28). Es erscheint plausibel, hier einen Zusammenhang zwischen der Beobachtung der Mailinglist und dem Ort (Privat-PC oder Büro-PC) zu vermuten, von dem aus die Mailinglist subscribiert wurde. Wenn jemand ohnehin täglich am Büro-PC arbeitet, der in der Regel über eine Standleitung an das Internet angebunden ist, dann kann er kaum umhin wahrzunehmen, wenn eine Mail eintrifft. Mitglieder, die von Privat- oder Rechnerpool-PCs aus eingeschrieben sind, müssen dagegen in der Regel mehr Aufwand (Kosten oder Zeit) inkaufnehmen, um an ihre Mails zu gelangen. Es liegt nahe, die Höhe des betriebenen Aufwands für einen Indikator der Ernsthaftigkeit des Interesses zu interpretieren. Befragt nach einem Urteil über das Artikelaufkommen in der Mailinglist, antworteten die Befragten beider Listen unterschiedlich. Während 30.8% der Befragten der ML-Soziologie meinten, dass ruhig noch mehr Artikel am Tag eintreffen könnten, so teilten diese Auffassung in der ML-Luhmann nur 12%. In beiden Listen stimmt rund ein Drittel darin überein, dass das Artikel-Aufkommen optimal sei. Der größte Anteil der Antworten entfiel auf 39.4% der ML-Luhmann-Befragten, denen das Artikelaufkommen gleichgültig ist (Ergebnistabelle V15). Ist diese Gleichgültigkeit gegenüber der Menge an Beiträgen womöglich gleichzusetzen mit einer Gleichgültigkeit gegenüber der Mailinglist oder gegenüber den Inhalten, die man ohne sonderliches Interesse wahrnimmt? Oder zeigt sich mit diesem Statement eine gewisse Abgeklärtheit, dass es einen anderen als selektiven Modus des Lesens von Beiträgen gar nicht geben kann, so dass Gleichgültigkeit gegenüber dem Aufkommen naheliegt? Zunächst zur Frage des Auswahlmodus für Beiträge. Die meisten Befragten überfliegen jeden eintreffenden Beitrag, um sich dann für eine intensivere Lektüre zu entscheiden (S: 52.9% / L: 44.4%). Andere achten auf ein "interessantes Subject", bevor sie sich zum Lesen entschliessen (S: 38.2% / L: 38.7) (Ergebnistabelle V17). Ich hatte darüber hinaus eigentlich erwartet, dass ein großer Anteil der Mitglieder Beiträge bevorzugt autororientiert auswählt. Gegenwärtig scheint dieses Kriterium jedoch bei den Mitgliedern beider Mailinglists keine bedeutsame Rolle zu spielen (S: 0% / L: 2.8%). Ich werte dieses mich überraschende Ergebnis - zusammen mit dem Befund, dass die meisten Befragten versuchen, möglichst jeden Beitrag zumindest zu überfliegen -, als Indiz dafür, dass das Artikelaufkommen in den beiden Listen als gering einzustufen ist. Zieht man zum Vergleich Newsgroups mit mehreren Hundert Beiträgen am Tag heran, in denen es unmöglich ist, tatsächlich jeden Beitrag zu lesen, dann spielen die Namen von Text-Qualität versprechenden Autoren bei der Auswahl der Artikel sehr wohl eine große Rolle.(Endnote 8) Dass in der ML-Luhmann eher keine Gleichgültigkeit gegenüber den Inhalten der Beiträge vorherrscht, zeigt sich an der Zeit, die die Befragten mit der Lektüre der Beiträge verbringen. Wenn sich jemand den Beiträgen der Mailinglist zuwendet, so sind dies im Schnitt in der ML-Soziologie 6.6 Minuten gegenüber knapp 13.8 Minuten der ML-Luhmann-Mitglieder (Ergebnistabelle V4). Die Angaben verdanken sich allerdings einer in der Regel wenig zuverlässigen Selbsteinschätzung der Befragten. Bei der Bitte um eine Selbsteinschätzung wurde nicht verlangt, die Angaben auf einen bestimmten Zeitraum - etwa einen Tag - zu standardisieren, auch wenn nur wenige Male in der Woche hineingesehen wird. Diese Werte können deshalb nur einen ersten groben Eindruck davon vermitteln, in welchem Maße die Beteiligung an Mailinglists-Debatten das Zeitbudget belastet. Zur Klärung von Zeitbudget-Fragen muss zweifellos eine eigens zu konzipierende Rezeptionsforschung einsetzen. Immerhin ist dieser Unterschied zwischen beiden Mailinglists, bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von 5%, signifikant. Dass sich die Mitglieder der ML-Soziologie weniger Zeit nehmen, mag zum einen an der geringeren Anzahl der Beiträge liegen, insbesondere an den speziell auf Diskussionen zielenden, gehaltvollen Beiträgen zum Zeitpunkt der Befragung. Außerdem sind die befragten Mitglieder der ML-Soziologie mit 6.3 Mailinglists im Schnitt mit zwei zusätzlichen Mailinglists gegenüber denen der ML-Luhmann belastet (Ergebnistabelle V14). 6.1.8 Welche Bedeutung schreiben die Mitglieder den Mailinglist-Debatten zu?Die Bedeutung von Mailinglists wird von den Befragten übereinstimmend, nämlich mit einem Anteil von Dreivierteln, als ein Beitrag zur Demokratisierung des wissenschaftlichen Diskurses eingeschätzt (S: 74.7% / L: 75.6%) (Ergebnistabelle V). Nicht ganz so einheitlich wird dagegen das Fehlen redaktioneller Filter in Mailinglists beurteilt: 83.3% der Befragten der ML-Soziologie beurteilen das Fehlen als eine Stärke der Mailinglist, die Befragten der ML-Luhmann dagegen zu 90.2% (Ergebnistabelle V46). Fragt man nach einem differenzierteren Urteil zur Bedeutung von Mailinglists für den wissenschaftlichen Diskurs, kreuzten die Befragten zwar in beiden Mailinglists mehrheitlich die Antwortvorgabe an, dass Mailinglists interessant und wichtig seien und den Bestand an wissenschaftlichen Diskursmedien ergänzten, doch ist hier der Unterschied mit knapp 12% zwischen den Listen bemerkenswert (S: 42.9% / L: 54.8%) (Ergebnistabelle V52). Dem radikalsten Statement zu dieser Frage, nämlich dass Mailinglists die etablierten Diskursmedien auf eine drastische Weise verändern werden, stimmten in der ML-Soziologie 14.1% und in der ML-Luhmann 20% zu. Allerdings zeigte sich die Mehrheit der Befragten nicht sonderlich interessiert an der bedenklichen Machtposition des Listowners, der ohne Ausweis seiner Kriterien und ohne Legitimation seitens der Mitglieder über die Mitgliedschaft von Interessenten an der Mailinglist entscheiden kann: In der ML-Soziologie gaben 10.1% der Befragten an, dass ihnen dies aufgestoßen sei, in der ML-Luhmann waren es 7.2% (Ergebnistabelle V47). Dieses geringe Maß an Sensibilität gegenüber der politischen Struktur einer Mailinglist läßt sich als ein Hinweis für die relative Bedeutungslosigkeit der Liste in der Wahrnehmung ihrer Nutzer deuten. Der Umgang mit den Mailinglists als Diskursmedium ist insofern, obwohl Mailinglists überwiegend als ein demokratische Medium geschätzt werden, bis zu einem gewissen Grade unkritisch. Es wird vermutlich stillschweigend davon ausgegangen, dass der Owner sich auf Verwaltungsaufgaben beschränkt, die nicht die Entscheidung über Mitgliedschaft betreffen, und sich im Falle eines Konflikts mit dem Mailinglistowner problemlos eine Diskussion über seine Vorgehensweise führen läßt. Man leistet sich eine vordergründig unkritische Position, weil recht leicht Korrekturen möglich sind. Um an ein weiteres Indiz für eine ernsthafte Beschäftigung mit den Möglichkeiten einer Mailinglist zu gelangen, wurde die Frage gestellt, ob die Hilfetexte des Servers bezogen wurden. Dies bejahten in der ML-Soziologie 21.6% der Befragten, in der ML-Luhmann 17.3% (Ergebnistabelle V48). Und 7.7% der Befragten der ML-Soziologie und 11.4% der Befragten der ML-Luhmann haben sich mindestens ein Mal einen der monatlich archivierten Texte aus dem Mailinglist-Archiv zuschicken lassen.(Endnote 9) (Ergebnistabelle V49). Auch diese beiden eher als gering zu bewertenden Anteile lassen sich als Hinweise darauf verstehen, welch eher geringe Bedeutung die Mailinglists für die meisten Mitglieder haben, obwohl das Niveau insbesondere der ML-Luhmann als hoch und das Kosten-Nutzenverhältnis als gut eingeschätzt wird. Einen Hinweis darauf, dass es offenbar nur wenige Bemühungen gibt, spielerisch die neuen Möglichkeiten des neuen Mediums zu ergründen, zeigen die Ergebnisse auf die Frage, ob die Mitglieder schon einmal mit dem Gedanken gespielt (oder ihn umgesetzt) hätten, sich unter einem Pseudonym in die Mailinglist einzutragen, um selbst eine konträre Position zum eigenen Beitrag einnehmen zu können. Diese Frage bejahten in der ML-Soziologie 5.4% der Befragten, in der ML-Luhmann 6.5% (Ergebnistabelle V45). Nun, es gibt sicher keine Notwendigkeit, auf eine solche Idee zu verfallen und nicht jeder verfügt über die technische Möglichkeit, sich einen Pseudonym-Account einzurichten. Aber ich denken auch, dass gerade Soziologinnen und Soziologen mehr als anderen eine Umgebung auffallen könnte, in der ein kreativer Umgang mit verschiedenen Rollensets, also ein leichthändiges Identitätenmanagement, möglich ist. 6.1.9 Wie beurteilen die Mitglieder das Geschehen in den Mailinglists?Befragt nach einem Urteil zum fachlichen Niveau der Beiträge, zeigt sich ein signifikanter Unterschied (5% Fehler-Wahrscheinlichkeit, z-Wert: 6.39) zwischen den Mailinglists. Faßt man die Urteile "sehr hohes Niveau" und "hohes Niveau" zusammen, so attestieren der ML-Soziologie 17.4% (sehr hoch: 2.4%) der Befragten ein hohes Niveau, in der ML-Luhmann sind es dagegen 69.9% (sehr hoch: 15.4%) (Ergebnistabelle V18). ![]()
Um es genauer zu wissen, wurden verschiedene Statements zur Beurteilung der Beiträge angeboten. Die Urteile der Befragten beider Listen weisen, mit Ausnahme des Urteils zur Langweiligkeit und zur Orthodoxie(Endnote 10) , jeweils in die gleiche Richtung: Beide Mailinglists werden bei Vorgabe von Gegensatzpaaren als thematisch eher vielseitig, als eher informativ, als eher undogmatisch, aber auch als eher entbehrlich beurteilt. Sie gelten darüberhinaus als eindeutig wissenschaftlich orientiert, diskursiv und verständlich. Die Urteile der ML-Luhmann weisen dabei allerdings, mit Ausnahme der Frage nach der Verständlichkeit, signifikant deutlich positivere Werte auf, insbesondere was die Entbehrlichkeit, die Informativität und Wissenschaftlichkeit der Beiträge angeht. Der bemerkenswerteste Unterschied in der Beurteilung beider Mailinglists besteht darin, dass die ML-Luhmann-Liste für eher spannend, die ML-Soziologie-Liste dagegen für eher langweilig befunden wird, was sich als eine Art Gesamturteil zur Attraktivität der Listen interpretieren liesse. (Ergebnistabelle V19: spannend ... langweilig)
Um die Urteile über die Mailinglists noch feiner nachzeichnen zu können, sollten die Mitglieder angeben, was sie an der ML-Soziologie bzw. an der ML-Luhmann am meisten schätzen und was sie am meisten stört.
Nach Hauptkategorien getrennt, werden die folgenden Aspekte an den beiden Mailinglists besonders geschätzt:
Es sind vor allem zwei Eigenschaften der Liste für Soziologie, die sich besonders häufig größter Wertschätzung erfreuen. Zum einen handelt es sich um die Demokratisierung der Zugangs- und Beteiligungsmöglichkeiten zu bzw. an einem fachspezifischen Forum, ohne Bindung an Bildungstitel und Positionen. Zum zweiten gelten die erreichten Zugewinne einer Vielfalt von Informationen und Hinweisen, sowie die eröffneten Kontaktgmöglichkeiten mit Fachkollegen als größte Stärke dieser Liste.
Besonders geschätzt werden in der Luhmann-Liste das Niveau und die innere Differenzierung der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie, die als geeignet betrachtet wird, einen Überblick zu vermitteln und Anregungen und Denkanstöße zu geben. Hier muss allerdings hervorgehoben werden, dass allein acht Mal die Beiträge von Peter Fuchs gesondert genannt wurden.
Den besonders geschätzten Eigenschaften der beiden Mailinglists wird nun eine Liste störender Aspekte gegenüber gestellt. Auf die Frage, was sie am meisten störe, haben geantwortet:
Im einzelnen wurden die folgenden störenden Aspekte genannt, die wieder zu Hauptgruppen zusammengefaßt sind:
Die genannten Aspekte machen deutlich, dass in beiden Listen vor allem die Nutzung der Liste zur Selbstdarstellung und die Nichteinhaltung von Diskussionsnormen als am meisten störende Erscheinung der Liste wahrgenommen werden. Besonders häufig werden auch solche Beiträge als größtes Störpotential der Liste genannt, denen ein geringer Informationsgehalt bzw. ein geringes Niveau attestiert wird. In der ML-Soziologie werden Beiträge mit dieser Zuschreibung allerdings deutlich häufiger genannt. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass in der ML-Soziologie derart taxierte Beiträge häufiger auftreten. Ein solches Urteil ist wenig überraschend. Und vermutlich ist es wenig mehr als das Echo der Orientierung an klassischen Publikationsmedien, gegen deren schlechte Beiträge man sich kaum wehren konnte, es sei denn, man kaufte fortan die Zeitschrift nicht mehr. In einer Mailinglist kann jedes Mitglied aktiv regulierend eingreifen, indem er gehaltvollere Diskussionen initiiert.
Der Befund, dass in der ML-Luhmann intensive Debatten stattfinden, wird durch eine Ende März 1999, von Moses A. Boudourides, Andres G. Zelman und Apostolis Salkintzis veröffentliche Studie bestätigt, in der mehrere offen zugängliche Mailinglists, darunter auch die ML-Luhmann, quantitativ vermessen wurden.(Endnote 11) Die ML-Luhmann sticht im Vergleich zu den anderen Listen in einigen Aspekten heraus: Die tägliche Belastung durch Artikel fällt mit 0.58 Beiträgen pro Tag(Endnote 12) im Vergleich am geringsten aus, der Partizipationsfaktor mit 77.46% ist dagegen der zweithöchste, der Anteil an verketteten, aufeinander Bezug nehmenden Mails ("Threaded Mails") ist mit 76.69% der höchste unter den untersuchten Mailinglists. Ich interpretiere diese Faktoren als akzeptable Operationalisierungen für den Aspekt der Intensität der Debatten. Darüberhinaus geben die Autoren dieser Studie einen interessanten Faktor an. Sie haben speziell für threaded mails eine Thementypologie erstellt und geben für die ML-Luhmann eine Verteilung von Themen an.
Interessant an dieser Themenverteilung ist insbesondere der Anteil an Threaded-Mails zu adminstrativen Themen von 0% und Maintenance mit 3.65%. Offenbar besteht kein Bedarf an Metadiskussionen zur Mailinglist selbst. Es bedarf, etwas anders gewendet, offenbar keiner Beiträge, anhand derer sich die normativen Erwartungen an die Mailinglist regulieren. Womöglich läßt sich dieser Wert auch als Zufriedenheit mit der Arbeit des Listowners interpretieren. In welchem Maße beteiligen sich die Teilnehmer aus diesen Gruppen nun aktiv an Diskussionen? Im einleitenden Kapitel über "wissenschaftlichen Diskurs und Mailinglists" war davon die Rede, dass es allenfalls für den akademischen Mittelbau naheliegen könnte, sich bei Diskussionen zurückzuhalten, weil sie am ehesten unter dem Eindruck stehen könnten, mehr zu geben als zu nehmen. Zugleich ist es der Mittelbau, der von Mailinglists als Thesentest- und Thesengeneriermaschinen am meisten profitiert. 6.2 Die AutorenAls einen Autoren bezeichne ich dasjenige Mitglied einer Mailinglist, das auf der Liste in Erscheinung tritt, gleichgültig ob mit einem gehaltvollen Diskussionbeitrag oder mit einer schlichten Frage nach Literatur oder einem Hinweis auf eine Publikation. In nachfolgenden Studien wäre es sicher sinnvoll, die Bezeichnung "Autor" denjenigen vorzubehalten, die nachhaltig an Diskussionen teilnehmen und ansonsten, so wie es im Rest dieser Studie der Fall ist, von Teilnehmern zu sprechen.(Endnote 13)
![]() Im monatlichen Durchschnitt schreiben, über die ganze Zeit aggregiert, in der ML-Soziologie 16, in der ML-Luhmann 19 und in der ML-IMD 24 verschiedene Autoren. Die absolute Zahl der Autoren in der ML-Soziologie und in der ML-IMD nimmt tendentiell leicht ab, während sie in der ML-Luhmann dagegen stark zunimmt. In der ML-Soziologie und in der ML-IMD verschlechtert sich zudem das Verhältnis zwischen den aktiven Schreibern und den Lesenden kontinuierlich. So startete die ML-Soziologie in den ersten Wochen mit einem Anteil von 77% schreibender Mitglieder und schwankte im Laufe des ersten halben Jahres zwischen 13% und 22%, um im Jahr 1998 dann auf durchschnittlich 3.3% abzusacken. Auch hier macht die ML-Luhmann eine Ausnahme: Hier nahm sogar der Anteil der Schreibenden tendentiell leicht zu und betrug im Jahr 1998 9.3%. ![]() Der Anteil der Autorinnen nimmt in allen drei Listen tendentiell zu, am schwächsten allerdings auf dem ohnehin geringen Niveau in der ML-Luhmann. Der extreme Ausreißer von 80%-Frauenanteil in der ML-Soziologie im Oktober 1998 kam deshalb zustande, weil in diesem Monat nur wenige Artikel erschienen. Gleiches gilt für den Ausreißer in der ML-Luhmann im Oktober 1996. 6.2.1 Wie viele Autoren bestreiten den Hauptanteil des Beitragaufkommens?
In der ML-Luhmann bestreiten drei Autoren 25% des gesamten Artikelaufkommens. In der ML-Soziologie sind es für den gleichen Artikelanteil immerhin fünf Autoren. In der ML-Luhmann decken 30 Autoren knapp 80% des gesamten Artikelaufkommens ab. Diese Zahlen wurden anhand einer Aggregation über den gesamten Zeitraum seit Bestehen der Listen ermittelt. Die auffällig geringe Frauenpräsenz in der ML-Luhmann wird noch mal unterstrichen dadurch, dass die erste Frau an der 49. Position des Artikelaufkommens steht. In der ML-Luhmann dominiert ein Autor ganz eindeutig. Von den insgesamt 1689 Beiträgen entfallen allein auf diesen 9.5% der Beiträge. Eine starke Dominanz der Kommunikation durch wenige Autorinnen und Autoren läßt sich immer dann beobachten, wenn zwei Autoren oder zwei Lager im Streit aneinandergeraten und dabei die Contenance verlieren und beispielsweise über Motive der anderen Seite spekulieren. Dies ist in der ML-Luhmann und in der ML-IMD deutlich jeweils einmal so eskalierend der Fall gewesen, dass sowohl die Autorin mit den meisten Artikeln der gesamten ML-IMD als auch der Autor auf der 3. Position der ML-Luhmann die Mailinglists jeweils verliessen.(Endnote 14) Unter den zehn erstplazierten Autoren der Listen gibt es keine namentlichen Überschneidungen zwischen der ML-Soziologie und ML-Luhmann. Und unter den ersten 30 sind es drei Autoren, die in beiden Listen in Erscheinung traten. In der ML-Soziologie haben 32.2%, in der ML-Luhmann 42.3% der Befragten angegeben, bereits einen Artikel auf der Mailinglist publiziert zu haben (Ergebnistabelle V31). Hiernach lässt sich feststellen, dass Befragte, die aktiv als Autoren in Erscheinung treten, auch überproportional häufig den Fragebogen beantwortet haben. Ferner interessierten die Motive, die Mitglieder davon abhalten, Beiträge zu veröffentlichen. Hier ergab sich zwischen den Listen ein auffallend unheitlicher Befund. Die meisten Befragten gaben an, dass ihnen bislang vor allem ein Anlaß gefehlt habe, um selbst mit einem Beitrag aufzuwarten (S: 91.2% / L: 72.9%) (Ergebnistabelle V39). Dieses deutliche Statement begreife ich als Indiz dafür, dass von einem Großteil der Mitglieder offenbar nicht realisiert wird, dass es keines Abwartens von Gelegenheiten bedarf, weil in Mailinglists Anlässe schlicht durch Aktivität frei geschöpft werden können. Ich vermute eher, dass gar kein so drängender Diskussionsbedarf vorliegt. Es fällt hier der Unterschied zwischen beiden Listen mit 18.3% auf. Fragt sich, ob dieser daher rührt, dass in der ML-Luhmann die Themen breiter streuen und insofern mehr Anlässe zur Verfügung stehen oder ob deren Mitglieder das Medium aktiver handhaben und bewußter wahrnehmen, indem sie initiativ werden. Womöglich erklärt diese klassisch-abwartende Haltung auch den eher geringen Grad der Verbundenheit und Verantwortung der Mitglieder dem Medium gegenüber. In der ML-Soziologie bejaten 26.8% und in der ML-Luhmann 34.5% der Befragten (Ergebnistabelle V53), eine gewisse Verantwortung dafür zu verspüren, dass die Kommunikation mittels der Mailinglist gelingt. Mangelnde Interessantheit der Beiträge ist jedenfalls überwiegend kein Hindernisgrund für eigene Aktivitäten (S: 26.6% / L: 11.6%) (Ergebnistabelle V35). Und ein hohes Niveau der Beiträge hält in der ML-Soziologie 4.4% der Befragten von einer Publikation eines eigenen Beitrags ab, in der ML-Luhmann sind es dagegen 22.1% (Ergebnistabelle V36). 36% der Befragten der ML-Soziologie und 59.5% der ML-Luhmann ist das Anfertigen eines Beitrags zu zeitaufwändig (Ergebnistabelle V37). Trotzdem wird das Aufwand-Nutzenverhältnis überwiegend als positiv eingestuft: In der ML-Soziologie halten dieses Verhältnis 77.7% der Befragten für gut, in der ML-Luhmann 82.7% (Ergebnistabelle V40). Bei den Befragten einheitlich über beide Listen hinweg ist demgegenüber das Motiv ausgeprägt, das List-Geschehen nur beobachten zu wollen (S: 62.8% / L: 64.7%) (Ergebnistabelle V38). 6.3 Die ArtikelNachfolgend sollen Fragen der folgenden Art interessieren: Wie viele Beiträge werden im Schnitt pro Monat/ Tag über die Mailinglist verteilt? Wie umfangreich sind die Beiträge und welche Themen werden überwiegend angesprochen?
6.3.1 Wie viele Beiträge wurden über die Mailinglists verteilt?
![]() Die Anzahl der Beiträge pro Monat/ Tag schwankt stark, es gibt keinen gleichmäßigen Strom, nicht einmal eine annähernd verläßliche Grundversorgung mit einer erwartbaren Mindestanzahl an Beiträgen pro Zeiteinheit. Regelmäßigkeiten in den Schwankungen sind dabei ebensowenig auszumachen, abgesehen von der Verringerung der Zahl an Beiträgen im August. Auffallend ferner: Schon rund ein Jahr nach ihrer Gründung nahm die Zahl der Beiträge in der ML-Soziologie tendentiell wieder ab, während sie in der ML-Luhmann sowie der ML-IMD dagegen recht stark zunahm und zunimmt. Die hier vorgelegten Daten zeichnen noch kein vollständiges Bild davon, welches Ausmaß an Kommunikationen per E-Mail durch die Mailinglist angestossen wird. Neben den öffentlichen Beiträgen gibt es auch eine Anzahl an nicht-öffentlichen bidirektionalen Mails, die durch diese öffentlichen Beiträge initiiert werden. Auch hier zeigte sich, dass die Kommunikationsdichte in der ML-Luhmann größer ist als die der ML-Soziologie: Auf einen öffentlichen Beitrag werden, laut Angaben der Befragten, in der ML-Soziologie durchschnittlich 2.5 weitere Mails verschickt und 3 weitere Mails empfangen, in der ML-Luhmann werden dagegen 5.3 weitere, nicht-öffentliche Mails verschickt und 5 weitere Mails zusätzlich empfangen (Ergebnistabelle V32). ![]() Es liegt angesichts dieser Zahlen die Vermutung nahe, dass die Unterschiede im Zuwachs der Zahl an Beiträgen in den Mailinglists ML-Soziologie und ML-Luhmann mit den unterschiedlichen Urteilen über das "Niveau", die "Langweiligkeit" oder die "Entbehrlichkeit" der beiden Mailinglists zusammenhängt (Urteile zu Mailinglist). Es stellt sich dabei die Frage, welche Kausalität unterstellt wird: Werden deshalb relativ wenige Beiträge für die ML-Soziologie angefertigt, weil das Niveau der Diskussionsbeiträge als niedrig und sie ansonsten als eher langweilig und ziemlich entbehrlich wahrgenommen wird, oder gilt der Zusammenhang umgekehrt: Weil so wenige Beiträge erscheinen, gilt sie als wenig niveauvoll und langweilig? Hier darf man wohl einen mitkoppelnden Zusammenahng vermuten. Das Maximum an Beiträgen über einen mehrmonatigen Zeitraum findet sich in der ML-Luhmann, in der zwischen 9801 bis 9807 durchschnittlich 112.4 Artikel im Monat bzw. 3.7 Artikel am Tag eintrafen. In der ML-Soziologie finden sich zwei starke Ausreißer mit monatlich 98 (9509) und 94 (9801) Artikeln, in der ML-Luhmann drei Ausreißer mit 156 (9802), 126 (9803) und 137 (9807) Artikeln pro Monat, in der IMD zwei Ausreißer mit 208 (9806) und 197 (9812) Artikeln. ![]() Der Soziologie-Ausreißer vom September 1995 ergab sich aufgrund von Beiträgen, in denen die meisten sich der Frage nach den Aufgaben eines Mailinglist-Koordinators, nach einer Definition, was Soziologie sei oder Soziologen tun, und einer Diskussion über Systemtheorie zuwandten. Die Subjects des Ausreißers vom Januar 1998 bezeichneten zu einem großen Anteil "Autopoiesis", "Raum" und "Zeit", häufig miteinander verbunden. Daneben gab es einen weiteren starken Thread, in dem es darum ging, ob fortan in der Subject-Zeile der Beiträge vom Mailinglist-Server automatisch ein SOZIOLOGIE ergänzt werden solle oder nicht. Die Ausreißer auf der Luhmann-Liste sind eigentlich nur Spitzen eines ohnehin hohen Artikel-Aufkommens im Zeitraum zwischen 9801 und 9807 auf einem inhaltlich sehr gutem Niveau, das insbesondere durch das Engagement eines bekannten Systemtheoretikers zustandekam (Peter Fuchs). Dann verringerte sich schlagartig das Artikelaufkommen, was womöglich mit dem krankheitsbedingten Fernbleiben Peter Fuchs in diesem Zeitraum zusammenhängt. Der IMD-Ausreißer im Juni 1998 fiel zusammen mit den Vorbereitungen für einen Kongress, den die IMD-Träger in Frankfurt veranstalteten; der Ausreißer im Dezember 1998 betraf vornehmlich das kommunikative Fehlverhalten eines Mailinglist-Mitglieds, das letztlich zum Ausschluß von der Liste führte. Der Ausschluß führte zu weiteren Diskussionen bezüglich der angemessenen Organisationsform der Mailinglist. Man kann generell sagen, dass das Artikelaufkommen immer dann hochschnellt, wenn es zu Metadiskussionen kommt, die die Organisation, das angemessene Verhalten der Autoren der Liste oder programmatische Ausrichtungen des Forums betreffen. Die enormen Schwankungen der Artikelzahl liegen vermutlich daran, dass eine Liste nur beschränkt die Bearbeitung von mehreren Themen gleichzeitig verträgt. Es ist nur selten der Fall, dass innerhalb eines Zeitraums mehr als drei unabhängige Threads parallel laufen, von knappen Zwischenfragen und Antworten abgesehen. Wenn keine Beiträge zu einem Thema mehr folgen, ist schlicht solange Ruhe, bis wieder ein neues Thema angestoßen wird. 6.3.2 Welchen Umfang haben die Beiträge?
![]() Parallel zur Anzahl der monatlichen Artikel schwankt auch der Umfang des monatlichen Textaufkommens beträchtlich. ![]() ![]() In allen drei Listen nimmt der Umfang der Beiträge tendentiell ab. Ebenso nimmt die Standardabweichung des Artikelumfangs in der ML-Soziologie und ML-IMD ab, während sie in der ML-Luhmann unverändert bleibt. Beide Faktoren liessen sich als Hinweis dafür interpretieren, dass sich über die Zeit eine Auffassung über die dem Medium angemessene Textlänge herausgebildet hat bzw. herausbildet. Zu Beginn der Nutzung einer frisch gegründeten Mailinglist herrschte noch eine relativ große Unsicherheit darüber, welche Textform angemessen wäre. So findet man hier eine Menge an relativ umfangreichen Texten, die eher klassisch erörternd-ausgewogen und weniger auf diskursive Anschlüsse angelegt waren. Es kam zu Anfang vor, dass jemand eine umfangreiche WinWord-Textdatei einer abgeschlossenen und bereits veröffentlichten Publikation über die Mailinglist verteilte, die Liste also als einen kostengünstigen Vertriebsweg und nicht als Forum für Diskussionen nutzte.(Endnote 15) Betrachtet man anhand des Quote-Anteils die Entwicklung im Hinblick darauf, ob mehr oder weniger zitiert wird, so zeigt sich, dass dieser Anteil auf unterschiedlichen Niveaus stabil bleibt und nur ganz leicht konvergiert. In der ML-Soziologie liegt dieser Anteil am höchsten bei 20%. Nimmt man den Anteil der Re: als einen weiteren Indikator für das Maß der Verschränkung von Artikeln, dann nimmt die Zahl der auf diese Weise bezugnehmenden Artikel einzig in der ML-Luhmann zu, in den beiden anderen Liste dagegen ab. Dies ist insofern überraschend, da sich die Diskussionsbeiträge dieser Liste auf einem beständig hohen Niveau bewegten und verläßlich auf einem hohen Niveau kommentiert wurden. Womöglich darf man daraus die These ableiten, dass das Betreuen einer Liste auf inhaltlich hohem Niveau neue Mitglieder nicht etwa vom Schreiben eigener Beiträge abschreckt, sondern sie im Gegenteil motiviert und ermutigt. 6.3.3 Die Themenschwerpunkte der ListenDie Themen der Beiträge der ML-Soziologie und der ML-Luhmann wurden grob nach primär diskursträchtigen Beiträgen und primär faktenorientierten, nicht-diskursträchtigen Mitteilungen unterschieden. In einer früheren Studie, in der ich einen ersten Überblick zu den Themen der ML-Soziologie gab, verwendete ich noch die folgenden Kategorien:
In der nun vorliegenden Studie wurden die Themen der Mailinglists anhand von sechs Kategorien kodifiziert und dann die Themenverteilung ermittelt.(Endnote 16)
Der Unterschied zwischen den beiden Liste ist deutlich: ML-Soziologie fungiert primär als eine Art Service-Liste für das "Tagesgeschäft", in der Mitteilungen von diskursiv eher trivialen Fakten (Ankündigungen von Seminaren, Konferenzen und Publikationen, Anfragen nach Literatur oder nach Mitstreitern mit ähnlich gelagerten Interessen und dergleichen mehr) im Vordergrund stehen. Die ML-Luhmann wird dagegen primär als Diskursliste mit vorwiegend theorieorientierten Argumenten, Fragen und Beobachtungen genutzt, auch wenn durchaus auf spezielle Veranstaltungen oder neue Publikationen hingewiesen wird.
Im ersten Jahr des gemeinsamen Bestehens beider Listen zeigten sich thematisch weniger konturierte Unterschiede, die jeweiligen Anteile lagen sehr viel näher beisammen.(Endnote 17) Ab September 1996 zeichnete sich dann in der ML-Luhmann insgesamt ein Umschwung zu eindeutig vorwiegend inhaltlich-diskursiv angelegten Beiträgen ab, während in der ML-Soziologie solcher Art inhaltlicher Beiträge einen stetig geringeren Anteil einnahmen bzw. einnehmen. Auf die möglichen Gründe der unterschiedlichen Entwicklungen komme ich gleich zu sprechen. Die verwaltungstechnischen Beiträge - hier handelt es sich überwiegend um Meldungen, in denen Mailadressen aus dem Mitgliederverzeichnis aufgelistet werden, die gelöscht wurden, weil diese Adressen über einen längeren Zeitraum nicht erreichbar waren und deshalb insbesondere bei den Autoren von Artikeln Fehlermeldungen erzeugten(Endnote 18) - pendeln sich offenbar auf ein Niveau zwischen 3% und 5% ein, wobei dieser Anteil in der ML-Soziologie zunächst größer ausfiel, während er in der ML-Luhmann konstant blieb. Dies mag u.a. daran liegen, dass die ML-Soziologie zehn Monate älter ist als die ML-Luhmann und somit für die Verwaltung der ML-Luhmann auf erste Erfahrungen anhand der ML-Soziologie zurückgegriffen werden konnte. Verwaltungstechnische Beiträge mit geringem Nutzwert und in kleinen Anteilen sind, auch wenn keine thematischen Fakten mitgeteilt oder diskurswürdige Themen angeboten werden, insofern zur Reproduktion der Mailinglist funktional, weil sie anzeigen, dass der Kanal offen ist und dieses Medium funktioniert. Die Beiträge, die sich mit der Ausgestaltung von Mailinglists im allgemeinen bzw. mit der konkreten Mailinglist als Thema befassen, nehmen insgesamt gesehen mit 9% bzw. 4% zwar einen geringen Anteil ein, branden aber stetig und dann heftig mit durchaus großem Anteil auf. Wenn man die Listen unter den Aspekten von viel Service und wenig Fachdiskurs (ML-Soziologie) oder unter den Aspekten viel Fachdiskurs und wenig Service (ML-Luhmann) beobachtet, mag man diesen Anteil der Selbstthematisierung als hoch bewerten, insbesondere wenn man die verwaltungstechnischen Anteile mit weiteren rund 5% hinzurechnet. Dies ist auf der anderen Seite jedoch dann nicht zwingend als zu hoch zu bewerten, wenn man berücksichtigt, dass die Implementierung dieses Mediums innerhalb des allgemeinen wissenschaftlichen Diskurses als nicht abgeschlossen gilt. Die Mitglieder können noch immer nicht abschliessend wissen, was sie von diesem Medium erwarten dürfen - die Spannweite der Beurteilung des Mediums Mailinglist durch die Befragten reicht von "drastische Veränderung des wissenschaftlichen Diskurses" bis hin zum "belanglosen Plauderkreis" (vgl. Fragebogen - V52). Weil die Themen "Mailinglists" oder "neue wissenschaftliche Kommunikationsformen" soziologisch umstandslos zugänglich sind, erscheint es mir nicht angemessen, diesen Anteil vollständig als letztlich unerwünschten Verwaltungsoverhead oder als wirkungsgradverringerndes, dynamikverschlechterndes hohes Grundrauschen zu bewerten. Die Frage der (Selbst-)Organisation des wissenschaftlichen Diskurses im besonderen bzw. der Technisierung der Kommunikationen im allgemeinen sind derzeit generell herausragende Themen. Die folgenden beiden Grafiken veranschaulichen die angesprochenen Entwicklungen im zeitlichen Verlauf: ![]() ![]() Woran könnte es liegen, dass die beiden Mailinglist so grundverschieden ausgerichtet sind? Warum werden in der ML-Soziologie vergleichsweise so wenige Fachdiskurse geführt? Es lassen sich verschiedene Gründe anführen. So mag die ML-Soziologie thematisch zu offen angelegt sein und deshalb, im Vergleich zu einer von vornherein eher theoriegeleiteten Mailinglist wie die ML-Luhmann oder einer eher an Befragungstechniken orientieren Mailinglist wie die GIR-L einen zu gering konturierten Halt bieten. Die ML-Soziologie hat mit anderen Worten offenbar kein Thema. Generell scheinen Soziologen zudem rein fachintern zum Ende des Jahrhunderts keinen Diskursbedarf (mehr) zu haben oder es mangelt ihnen am Mut zur gehaltvoll kontroversen Debatte. Dass darüberhinaus der in Aussicht gestellte Gewinn einer Teilnahme an Mailinglist-Debatten nicht klar abzuschätzen ist, wird bereits im vorderen Teil dieser Studie diskutiert. Womöglich strahlen zudem schlechte Beiträge so stark und so lang anhaltend aus, dass das Medium für komplexere Gemüter regelrecht unbrauchbar wird, insbesondere wenn auf gehaltvolle Beiträge, die insbesondere Neulinge mitteilungsfreudig-hoffnungsfroh in die Liste setzen, keine darauf bezugnehmenden Beiträge folgen. Andererseits... die ML-Luhmann wird erfolgreich für den soziologischen Diskurs in Anspruch genommen. Das Leitthema dieser Liste ist allerdings enger geschnitten und man muss vermuten, dass die Mitglieder von vornherein höher zur Teilnahme motiviert sind. Deutsche Mitglieder konnten nämlich zumindest bis Mitte der 90er Jahre noch der Ansicht sein, dass die Beschäftigung mit der Luhmannschen Systemtheorie eines der letzten mentalen Abenteuer (nicht nur) der Soziologie gelten kann, gerade weil sie zumeist vollkommen unter- oder häufiger noch falsch eingeschätzt wurde (und wird). Beides dürften Quellen der Motivation sein, insbesondere für den nicht-deutschsprechenden Teil der Luhmann-Anhänger. Die Mitglieder konnten zu Beginn also der motivierenden Auffassung sein, mit der Luhmann-Mailinglist am Gedeihen eines noch überaus zarten wie auch vielversprechenden Pflänzchens teilhaben zu können. Mittlerweile mag der Umgang mit Mailinglists abgeklärter sein, das Medium hat von seiner Faszination vermutlich eingebüßt, aber zu einem beträchtlichen Teil erkläre ich mir aus dieser Motivation heraus den Unterschied, warum 34.5% der Befragten der ML-Luhmann, aber nur 26.8% der Befragten der ML-Soziologie eine Bindung oder gewisse Verantwortung für das Gelingen der Kommunikation mittels dieser Mailinglist empfinden (vgl. Fragebogen Frage V53). Besonders dazu beigetragen, die ML-Luhmann als eine anspruchsvolle Diskursplattform zu entwickeln, hat aber vermutlich das Auftreten von Peter Fuchs, einem der wichtigsten systemtheoretischen Soziologen Deutschlands, der der Liste im Februar 1996 beitrat. Zwar waren auch vorher schon einige bekannte Systemtheoretiker vertreten, doch kommentierten diese bei weitem nicht in dem Ausmaße wie Peter Fuchs. Inzwischen hat sich ein bemerkenswert großer Anteil der bekannten deutschsprachigen Systemtheoretiker-Szene in die ML-Luhmann eingeschrieben.(Endnote 19) Der ML-Soziologie fehlt es dagegen an einem solch attraktiven, aktiv diskursanheizenden Personal. Generell scheint es außerhalb der Systemtheorie und der empirischen Sozialforschung in der Soziologie seit Jahren schon kein Bedarf nach Diskursen zu geben. Statt aktiv zu debattieren, erinnert man sich lieber an grosse Debatten. Es gilt aber auch bei der Erklärung, den Interaktionseffekt zwischen den Listen zu berücksichtigen. Wie bereits oben festgestellt, haben sich 20.1% der Mitglieder der ML-Soziologie auch in die ML-Luhmann eingeschrieben, so dass man annehmen darf, dass diese bei theoretischen Ambitionen sich eher der ML-Luhmann als der ML-Soziologie zuwenden. 6.3.4 ThreadsVon Threads spricht man, wenn Mailinglist-Beiträge thematisch explizit aufeinander Bezug nehmen. Ein solch explizit ausgewiesener Bezug von Beiträgen läßt sich formal an der Übernahme der Subject-Zeile, mit einem vorangestellten "Re:" oder "Fwd:", sowie darüberhinaus anhand der Übernahme besonders charakteristischer Textbestandteile ablesen, die im Text typischerweise durch ein ">" in der ersten Spalte einer Zeile gekennzeichnet sind. Bei derart gekennzeichneten Passagen handelt es sich um Zitate aus vorigen Beiträgen. Zitate werden im Netzjargon als "Quotes" bezeichnet. Zunächst zum Quotes-Anteil der Beiträge. Der aktuelle, über den gesamten Zeitraum gemittelte Quotes-Anteil der drei Mailinglists liegt in der ML-Soziologie bei etwa 20%, in der ML-Luhmann bei etwa 17%, in der ML-IMD bei etwa 15%. Der Tendenz nach läuft der Anteil auf einen Wert um 20% zu. Offenbar ist die redundante Aufnahme eines vorigen Beitrages in der Größenordnung von einem Fünftel optimal für den Anschluß eines neuen Beitrags. In einem sehr viel geringeren Umfange als 20% könnte ein Quoteanteil, aus der Sicht des Lesers, womöglich Zweifel an der angemessenen Berücksichtigung des vorigen Beitrags aufkommen. Ein Quoteanteil in einem sehr viel größeren Ausmaße könnte wiederum Zweifel an der Eigenständigkeit und thematischen Variationsfähigkeit des neuen Beitrags entstehen lassen. ![]() Die Anzahl der Threads in den Mailinglists laufen dagegen nicht auf einen derart fixen Wert zu. In der ML-Soziologie nahm die Zahl der Threads ab, in der ML-Luhmann nahm die Zahl der Threads in einem größeren Ausmaße zu. Während die ML-Soziologie im ersten Jahr ihres Bestehens mit etwa 20 Threads pro Quartal(Endnote 20) startete, wies die ML-Luhmann in ihrem ersten Jahr nur rund 5 Threads pro Quartal aus. Thread-Spitzen finden sich überwiegend im 1. Quartal eines Jahres, relativ wenige Diskussionen finden im 3. Quartal statt. Der einsame Spitzenwert mit 65 Threads war im 1. Quartal 1998 in der ML-Luhmann zu verzeichnen. ![]() Dieser Befund bestätigt insofern noch einmal die Charakterisierung der beiden Listen: Die ML-Luhmann ist primär eine Diskussionliste, die ML-Soziologie eher eine Serviceliste. Daran schließt sich die Frage an, wie viele Artikel durchschnittlich ein Thread enthält und ob sich hier wie beim Quoteanteil von 20% ebenfalls ein stabiler durchschnittlicher Wert andeutet. Ein solcher Trend zu einem solchen Wert scheint bei den drei Mailinglists tatsächlich vorzuliegen. In der ML-Luhman umfaßt ein Thread schon über Jahre hinweg stabil fünf Artikel, in der ML-Soziologie lag dieser über Jahre hinweg eher bei vier Artikeln, der durch einen extremen Ausreißer zum Ende der Beobachtungszeit zu einer Progression und einem Mittel von fünf Artikeln pro Thread führte. Die Tendenz zu fünf Artikeln pro Thread wird auch von den Threads der IMD-L bestätigt. ![]() Neben der durchschnittlichen Anzahl der Beiträge ist auch der Aspekt der durchschnittlichen Dauer von Threads interessant. Die Schwankungen sind beträchtlich, im Durchschnitt dauern Threads jedoch in allen drei Listen sechs Tage.(Endnote 21) ![]() Ferner war von Interesse, wie hoch der Anteil derjenigen Threads ist, die besonders viele Beiträge enthalten. Als besonders lang anhaltend lassen sich solche Threads bezeichnen, die mindestens das Doppelte der durchschnittlichen Beitragszahl enthalten, also mindestens zehn Beiträge pro Thread. Der Anteil solcher Großthreads liegt, gemessen am Gesamtaufkommen gemittelt über die drei Mailinglists, bei ca. 8%. ![]() Als besonders dauerhaft bezeichne ich solche Threads, die wiederum mindestens das Doppelte einer durchschnittlichen Threaddauer, in diesem Fall also länger als 13 Tage, andauern. Diese machen einen Anteil von 12% aus. ![]() Desweiteren stellte sich die Frage, in welchem Verhältnis Artikel und Threads stehen und ob sich hier vielleicht ein Wert abzeichnet, wonach eine stabile Anzahl von Artikeln Bestandteile von Threads sind. Den berechneten Wert - Anzahl der Threads pro Quartal multipliziert mit der durchschnittlichen Anzahl der Artikel pro Thread dividiert durch die Gesamtzahl der Artikel - begreife ich als ein Maß für die Diskursintensität einer Mailinglist. ![]() Etwas überraschend nimmt in der ML-Soziologie der Anteil der in Threads eingebundenen Artikel gegenüber den singulär bleibenden Artikeln tendentiell leicht zu, allerdings bei einem Startwert von nur knapp 60%. In der ML-Luhmann nimmt der in Threads eingebundene Anteil von Artikeln ganz leicht ab, allerdings bewegt sich dieser Anteil, das ist nicht überraschend, auf einem ungleich höheren Niveau mit einem Startwert von etwa 85%. Die Bandbreite des Anteils der Thread-Artikel in der ML-Luhmann bewegt sich zwischen 75% und 97.5%(Endnote 22) , und ist somit homogener im Vergleich zur ML-Soziologie, deren Bandbreite zwischen 35% und 90% liegt. In der Gesamttendenz scheint sich in der ML-IMD ein Wert für die Diskursintensität von 75%, in der ML-Soziologie von um die 70% abzuzeichnen, in der ML-Luhmann sind es um die 80%. Die Gesamtbandbreite der Diskursintensität der drei untersuchten Listen beträgt somit zwischen 70% und 80%, womit offenbar ein gewisses Stabilitätsniveau für die Diskursintensität von Mailinglists gekennzeichnet ist. In der ML-Luhmann hat ein Teilnehmer also beste Chancen, dass sein Beitrag kommentiert oder seine Frage beantwortet wird, denn nur jeder 5. Artikel bleibt ohne Folgeartikel. Und die ML-Soziologie ist demnach keine reine Service-Mailingliste mit Verlautbarungen und Ankündigungen, die die Mitglieder schlicht zur Kenntnis nehmen können und die in der Regel keine weiteren Kommentare anstoßen. Allerdings weist die große Bandbreite der Diskursintensität der ML-Soziologie auf ein gewisses Maß an Unberechenbarkeit hin. Faßt man die Ergebnisse zusammen, so zeigt sich, dass die Entwicklung einer stringenten, gehaltvollen Diskussion in Mailinglists dann am ehesten zustande kommt, wenn nur eine relativ geringe Zahl an Teilnehmern cokonstruktiv, also mit negativen und positiven Bezugnahmen, debattiert. Deren Beiträge müssen so verfaßt sein, dass sich nicht jedes Mitglied aufgefordert sieht, selbst einen Folgebeitrag anzufertigen. Dies gelingt am besten sowohl durch besonders konturiert-schwierige als auch besonders strukturarm-leichte Beiträge, weil diese entweder aus Über- oder Unterforderung keine angemessene kommunikative Autoren-Identität durch einen Folgebeitrag auszubilden gestatten und dadurch einen vergleichsweise geringeren Sog auf Nachfolgeartikel ausüben. Für das Gelingen von diskursiv ausgerichteter Mailinglistkommunikation ist insofern sowohl die gut strukturierte Teilnahme wie auch das Schweigen einer großen Zahl an Teilnehmern Voraussetzung. Es entwickeln sich Formen der Diskursermutigung (typisch durch Provokation) wie Diskursentmutigung (etwa indem angekündigt wird, dass keine weitere Replik folgen wird). Insbesondere den Schweigern, die im Netzjargon abfällig als "Lurker" (Lauernde, Schleicher) bezeichnet werden, fällt demnach eine wichtige Funktion zu, wie Stegbauer und Rausch zeigen (Stegbauer/ Rausch 1999: 107). Neben der Unterscheidung von Lurkern und Autoren bilden sich innerhalb der Gruppe der Schreibenden einige weitere Rollen aus. Stegbauer/ Rausch unterscheiden sieben Blöcke unterschiedlicher kommunikativer Beziehungen von Teilnehmern. Neben wenigen Meinungsführern (vgl. Wetzstein/ Dahm 1996; Döring 1997), die sich sehr stark beteiligen, zeichnet sich eine Gruppe an Mailinglist-Teilnehmern beispielsweise durch das Beantworten von Anfragen aus, zwei andere Gruppen beteiligten sich überproportional an Diskussionen. Insbesondere Lurker, die die Liste schon länger beobachten, werden dadurch zum Schweigen ermutigt, wenn die Rollen "Beantworter" oder "Diskutant" in der Mailinglist hinreichend verläßlich - d.h. innerhalb einer noch näher zu spezifizierenden Zeitspanne, auftreten. EndnotenEndnote 1: Vermutlich lag damals der Anteil an Studenten noch etwas höher, da die Befragung in die Semesterferien gefallen war. - zurück - Endnote 2: Die Daten der IMD-Liste sind nicht berücksichtigt, weil das Datenmaterial der Mitgliederlisten zu lückenhaft ist. - zurück - Endnote 3: Anmerkung: Wenn man die absolute Anzahl der Statusangaben addiert, ist das Ergebnis größer als die Anzahl der abgegebenen Fragebögen. Dies liegt daran, dass einige der befragten Mitglieder (ML-Soziologie: 4, ML-Luhmann: 5) mit Bezug zur Soziologie über unterschiedliche akademischen Status verfügen. - zurück - Endnote 4: Diese Vermutung wird sich im Fortgang dieser Untersuchung verdichten. - zurück - Endnote 5: Man denke allein an die gegenüber Atari-TOS, MacOS oder DOS/Win3.1 ungleich komplizierter anmutende Bedienung der damalig vorherrschenden VMS- oder Unix-Rechner an den Rechenzentren, an denen man über Textterminals verbunden arbeitete. - zurück - Endnote 6: Gegen Word als Quasi-Textverarbeitungsstandard wehren sich eine ganze Reihe an Textverarbeitern ganz bewußt, weil Word (und andere Textverarbeitungen) im Vergleich zu entwickelteren Formen der Textverarbeitung (vornehmlich solche, in denen Markup-Languages benutzt werden) zu viele konzeptionelle Mängel aufweisen - vom Einschleppen von Makroviren noch ganz abgesehen. Diese Mängel betreffen vor allem die Orientierung am Primat des Layouts auf Papier und sind dadurch insbesondere für eine technisch vernetzte Zusammenarbeit als untauglich einzustufen (vgl. Recke 1997). Statt in einem neuen Medium die neuen Möglichkeiten zu nutzen, bilden Textverarbeitungen nur alte, operativ-passive Formen des Papiers im neuen, nunmehr auch operativ zugänglichen Digitalmedium ab. - zurück -
Endnote 7: Und auch der Papierverbrauch steigt
weiterhin:
Endnote 8: Insofern führt hier die Leichtigkeit der Teilhabe am Kommunikationsgeschehen, die gemeinhin als eine Stärke elektronischer Foren ausgewiesen wird, in Situationen des Überangebots an Texten zugleich zur Regression auf einen stärker autor- statt textzentrierten Auswahlmodus. Dadurch entsteht eine bemerkenswerte Schieflage: Auf der einen Seite findet eine Entsubjektivierung der Texterstellung statt, wenn man an Mailinglist-Diskurse denkt, in denen kein Teilnehmer den Gesamttext, oder auch nur eine bestimmte Idee darin, sofern sie aufgegriffen und fortgesetzt wird, sich selbst zurechnen darf. Auf der anderen Seite werden unter entwickelten Bedingungen der elektronisch gestützen Kommunikationen Beiträge anhand von Autorennamen ausgewählt. Der Ausweg aus dieser Schieflage könnte auf Seiten der Rezeption von Beiträgen eines Tages darin bestehen, eine maschinelle Vorverarbeitung von Texten zu nutzen, so dass ein Zugriff auf Texte auch anhand maschinell erstellter Textanalysen möglich würde. - zurück - Endnote 9: Der Mailinglistowner der Liste weist mindestens einmal im Monat in seinen offiziellen Mitteilungen in seiner Signature darauf hin, auf welche Weise ein Hilfetext zum Umgang mit der Mailinglist sowie die Beiträge aus der Vergangenheit bezogen werden können - zurück - Endnote 10: Es traf eine E-Mail mit der Nachfrage ein, welcher Unterschied zwischen Dogmatismus und Orthodoxie bestünde. Der Unterschied läßt sich in zeitgenössischer Perspektive wie folgt markieren: Dogmatisch bedeutet, dass sich etwas im Grundsatz nicht in Frage stellen läßt. Orthodox bedeutet dagegen, etwas im Rahmen einer eingefahrenen Linie zu behandeln, ohne dass dabei Wert auf Kreativität und Einfallsreichtum gelegt wird. - zurück - Endnote 11: Diesen Mailinglists gemeinsam ist, dass sie thematisch allesamt um Kybernetik, Systemtheorie oder Autopoiesis kreisen. - zurück - Endnote 12: Die ML-Luhmann weist 1.49 Artikel am Tag aus Tabelle). - zurück - Endnote 13: Die konsistente Unterscheidung in Autoren und Teilnehmer läßt sich, so wie es zu wünschen wäre, hier nicht mehr vornehmen, weil der Sinn einer solchen Unterscheidung erst zum Ende der Untersuchung klar wurde. Deshalb werden im Text Autoren und Teilnehmer gleichgesetzt. - zurück - Endnote 14: Präziser: Die Autorin wurde von der Verwaltung der ML-IMD wegen anhaltender Beleidigungen anderer Teilnehmer ausgeschlossen, der Autor verließ die ML-Luhmann freiwillig. Der formal problematische Ausschluß der Autorin hatte noch ganz interessante Folgen. Fünf Monate später hatte sich diese Mailinglist ein Abstimmungsverfahren gegeben, um zukünftig in der Lage zu sein, in Konflikten demokratisch legitimierte Entscheidungen treffen zu können (RfD_CfV-Abstimmungsverfahren). - zurück - Endnote 15: Mittlerweile hat es sich durchgesetzt, dass nicht-diskursiv-angelegte Artikel ebenso wie Fragebögen entweder im World-Wide-Web veröffentlicht oder per E-Mail direkt den Interessenten zugestellt werden. - zurück - Endnote 16: Sofern in einem Artikel mehrere dieser Themen angesprochen wurden, wurde ein Artikel entsprechend mehrfach kodiert. - zurück - Endnote 17: Anmerkung: Die 0% fehladressierten Mails (Code: E) rühren daher, dass die Zahlenangaben gerundet wurden. Etwa vier von 1000 über die Mailinglists geschickte Mails sind fehladressierte Mails (wie beispielsweise ein UNSUBSCRIBE-Befehl, der an die Mitglieder und nicht an den Server adressiert ist). - zurück - Endnote 18: Das Löschen einer E-Mailadresse aus der Mitgliederliste einer Mailinglist ist natürlich ein Politikum ersten Ranges. Deshalb halte ich es als Administrator ("Mailinglistowner") so, dass die Adressen auf der Mailinglist veröffentlicht werden, damit zumindest eine kleine Chance für die Betroffenen besteht, die über E-Mail nicht mehr zu erreichen sind, über andere Wege von der Löschung zu erfahren. - zurück - Endnote 19: Auf die sich seit längerem schon abzeichnenden Differenzierungen innerhalb der Systemtheorie muss hier nicht eingegangen werden. In den meisten engagierten Initiativbeiträgen wird der Bezug zur originellen Seite Luhmanns hergestellt. - zurück - Endnote 20: 1. Quartal: Januar bis März, 2. Quartal: April bis Juni, 3. Quartal: Juli bis September, 4. Quartal: Oktober bis Dezember - zurück - Endnote 21: Leider wurde versäumt zu ermitteln, in welchem zeitlichen Abstand die erste Reaktion auf einen Initiativbeitrag erfolgte, um so etwas wie eine durchschnittliche Antwortzeit einer Mailinglist angeben zu können. - zurück - Endnote 22: 97.5% bedeutete, dass auf nahezu jeden Artikel ein bezugnehmender Artikel folgt. - zurück - |